Hilfe zum Suizid. Selten dürfte das BVerwG mit so viel menschlichem Leid konfrontiert werden: Am 26.10. verhandeln die Leipziger Richter über die Klagen von zwei Menschen, die aus Verzweiflung über ihre schweren Krankheiten sterben wollen. Doch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat ihre Anträge, ihnen zur Selbsttötung den Kauf des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zu genehmigen, ebenso abgelehnt wie das VG Köln und das OVG Münster. Der Erlaubnis stehe der Versagungsgrund des § 5 I Nr. 6 BtMG entgegen: Eine Genehmigung zum Erwerb, die auf die Nutzung des Barbiturats für einen Suizid gerichtet sei, sei unvereinbar mit dem Zweck des Betäubungsmittelgesetzes, dem Schutz der menschlichen Gesundheit zu dienen. Zudem: Mit der Möglichkeit, einen zur Hilfe beim Selbstmord bereiten Arzt oder eine Sterbehilfeorganisation einzuschalten, stünden zumutbare Alternativen zur Verfügung, um den Wunsch nach selbstbestimmtem Sterben zu verwirklichen. Diese könnten eine Kombination von verschreibungspflichtigen Präparaten verwenden, die nicht dem BtMG unterfallen.
Einer der beiden Kläger (Jahrgang 1944) hatte Lymphdrüsenkrebs (ein Lymphom) gehabt, dessen Wiederkehr er befürchtet – zumal die Chemotherapie zahlreiche Nebenwirkungen verursacht hatte und ihm bei einem Rezidiv erneut massive Schmerzen drohten. Auch hatte er eine Hirnhautentzündung (Meningoencephalitis) und diverse Schlaganfälle erlitten; zudem musste er sich wegen seiner koronaren Herzkrankheit einer Bypass-Operation unterziehen. Auf den legalen Zugang zu einem letal wirkenden Medikament hofft auch der zweite Kläger (Jahrgang 1970): Seit über 25 Jahren leidet er an Multipler Sklerose (MS). Trotz zahlreicher Therapieversuche ist er unterhalb des Schultergürtels beidseitig gelähmt; durch diese Tetraplegie quälen ihn Rückenschmerzen und spastische Krämpfe. Hinzu treten eine Blasen- und eine Mastdarmentleerungsstörung. Der Mann benötigt rund um die Uhr eine umfassende Hilfestellung bei der Körperpflege und allen Alltagsaktivitäten (Pflegegrad 5). Der rechtliche Hintergrund ist einerseits bestimmt durch ein Urteil des BVerfG, das das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB aF) verworfen und ein „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ postuliert hat; dieses sei „als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren“ (NJW 2020, 905). Andererseits ist es im Bundestag daraufhin nicht gelungen, für einen der konkurrierenden Vorschläge zu einer gesetzlichen Regelung eine Mehrheit zu finden.
Irrtümlich gezahltes Anwaltshonorar. Über die Kosten eines Rechtsanwalts, der den Schulungsanspruch eines Betriebsratsmitglieds durchsetzen sollte, geht es am 25.10. vor dem BAG. Das LAG Niedersachsen hatte befunden, der Arbeitgeber dürfe die von ihm gezahlten Honorare nicht durch Aufrechnung von dem betroffenen Belegschaftsvertreter zurückzuverlangen, nachdem er zunächst die – nicht erforderlichen – Kosten übernommen hatte. Denn die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) würden hier durch das BetrVG (§§ 2 I, 40 I, 78 S. 2) verdrängt.
Arbeit durch Vielfachkläger. Wann reicht anstelle einer Geldentschädigung für ein überlanges Gerichtsverfahren eine Wiedergutmachung auf andere Weise (§ 198 II 2 iVm IV 1 GVG) – etwa durch die bloße Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass der Prozess unangemessen lange dauerte? Das klärt das BSG am 26.10. im Fall eines Prozessbevollmächtigten, der währenddessen 840 Verfahren vor dem SG Darmstadt geführt und – so die Kasseler Richter – besonders viel vermeidbare Mehrarbeit verursacht hat.
Gefährliche Glimmstängel. Sein Urteil über fehlende Warnhinweise und Schockfotos an Warenausgabeautomaten von Supermarktkassen verkündet am 26.10. der BGH. Verhandelt wurde bereits im Juli (NJW-aktuell H. 30/2023, 6).