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Die Termine der 43. Kalenderwoche
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Der Gender Pay Gap landet vor dem Bundesarbeitsgericht. Das muss entscheiden: Ist es ein ausreichendes Indiz für eine Diskriminierung, wenn eine Auskunft nach dem noch recht jungen Entgelttransparenzgesetz große Vergütungsunterschiede zutage fördert? Außerdem: das Rücktrittsrecht beim Möbelkauf vor dem Europäischen Gerichtshof und Rückforderungen von erschwindelter Rente lange nach dem Antrag des inzwischen Verstorbenen am Bundessozialgericht.

15. Okt 2020

Unterschiedliche Gehälter. Zu dem noch recht jungen Entgelttransparenzgesetz hat das BAG bislang selten Stellung nehmen können. Nun ist es wieder soweit: Am 22.10. verhandeln die Erfurter Richter über den Wunsch der Abteilungsleiterin einer Versicherung nach einem höheren Gehalt. Sie stützt sich dabei auf Auskünfte ihres Arbeitgebers, der ihr auf Anfrage das Durchschnittsgehalt ihrer männlichen Kollegen auf gleicher Hierarchiestufe mitgeteilt hat. Wobei er ihr getreu den Vorgaben des EntgeltTranspG den Medianwert nannte – jenen Mittelwert also, unterhalb und oberhalb dessen genau gleich viele Gehälter angesiedelt sind. Die Schadensexpertin hatte ihre Position seit 2017 inne, davor war sie fünf Jahre lang bei einer anderen Assekuranz in derselben Chefposition tätig. Zuletzt erhielt sie monatlich brutto 5.385 Euro nebst 500 Euro Zulage, wogegen die Männer in dieser Stellung in dem Unternehmen auf einen Mittelwert von 6.292 Euro nebst 500 Euro Bonus kamen. Vor den Arbeitsgerichten fordert die Frau die Nachzahlung des Unterschiedsbetrags. Das Unternehmen verteidigt sich damit, dass die zum Vergleich herangezogenen Männer und Frauen sich allesamt hinsichtlich der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit und Funktionsausübung, etwaiger früherer Tarifgruppen und vorheriger Arbeitgeber unterschieden. Überdies sei unter ihnen die am besten bezahlte Person eine Frau. Das ArbG Göttingen gab der Klage dennoch weitestgehend statt. Anders das LAG Niedersachsen: Die Auskunft nach § 11 EntgeltTranspG sei kein Indiz im Sinne des § 22 AGG, das auch bei großen Vergütungsunterschieden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vermuten lasse.

Rücktritt vom Möbelkauf. Verbraucherrechte sind ein wichtiges Arbeitsfeld des EuGH, und jeder nationale Einzelrichter auch erster Instanz kann ihn zu Rate ziehen. Das hat das AG Potsdam im Streit des Einrichtungshauses Möbel Kraft getan, das einem Kunden das Widerrufsrecht streitig macht. Nach der Verbraucherrechterichtlinie besteht dieses unter anderem dann nicht, wenn bei Fernabsatzverträgen „Waren geliefert werden, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“. Das brandenburgische Gericht zweifelt daran, dass der Ausschluss auch dann gilt, wenn der Verkäufer noch nicht mit der Anfertigung begonnen hat und die Anpassung beim Kunden selbst – nicht durch Dritte – vorgenommen hätte. Auch möchte es dem Käufer zugute halten, wenn sich die Waren mit nur geringen Rückbaukosten – etwa 5 Prozent des Warenwerts – wieder in den Zustand vor der Individualisierung hätten versetzen lassen. In Deutschland wurden die Brüsseler Vorgaben im Jahr 2013 an zahlreichen Stellen ins BGB eingearbeitet. Am 21.10. wollen die Luxemburger Richter ihr Urteil sprechen.

Späte Rückforderung. Dass die Rente sicher sei, hat einst schon der damalige Bundesarbeits- und -sozialminister Norbert Blüm (CDU) versprochen. Ob das allerdings auch dann gilt, wenn nach dem Tod des Versicherten lange zurückliegende Falschangaben seinerseits aufgedeckt werden, will am 21.10. das BSG klären. Als die Gattin und Alleinerbin zwei Wochen nach dessen Ableben im Jahr 2011 Witwenrente beantragte, flog auf: Ihr Mann hatte dem Rentenversicherer mindestens in seinen letzten elf Lebensjahren verschwiegen, dass er wegen eines Arbeitsunfalls im Jahr 1968 von der Berufsgenossenschaft monatlich eine Verletztenrente von zuletzt 666 Euro erhalten hatte. Weil die auf die Altersrente anzurechnen gewesen wäre, soll sie 28.000 Euro zurückzahlen. Vor dem SG Oldenburg machte sie geltend, nicht der Verblichene habe dereinst den Leistungsantrag ausgefüllt, sondern ein Krankenkassenmitarbeiter. Wie dem auch sei – es wies ebenso wie anschließend das LSG Niedersachsen-Bremen die Rückforderung ab. Denn die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts nach § 45 SGB X, so die in Celle ansässigen Richter der Berufungsinstanz, sei auch bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen nach § 580 ZPO nicht unbefristet möglich. Jedenfalls eine arglistige Täuschung sei hier nicht zu unterstellen.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.