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Die Termine der 42. Kalenderwoche
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Ab fünf Schwerbehinderten muss in einem Betrieb eine Interessenvertretung für sie gebildet werden. Das Bundesarbeitsgericht muss klären, ob deren Amtszeit vorzeitig endet, wenn die Zahl der gehandicapten Mitarbeiter unter dieses Quorum rutscht. Der Europäische Gerichtshof urteilt über eine Vorlage der Erfurter Richter zur Mitbestimmung in der „Europa-AG“. Und der Bundesfinanzhof befasst sich mit einer Ersatzzustellung durch Einwurf in den Briefkasten aus Virenangst des Austrägers.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 13. Okt 2022.

Unters Quorum gerutscht. Endet die Amtszeit einer Schwerbehindertenvertretung, wenn die Zahl der gehandicapten Mitarbeiter unter das für deren Errichtung maßgebliche Quorum von fünf sinkt? Fast erstaunlich, dass diese Frage noch nicht längst geklärt ist. Dies will das BAG am 19.10. nachholen. Klägerin ist die Interessenvertretung der Schwerbehinderten und der ihnen gleichgestellten Personen eines Betriebs in K. Gewählt wurde sie im Jahr 2019. Die reguläre Amtsperiode beträgt nach § 177 SGB IX vier Jahre. Ein Jahr später gab es nur noch vier Beschäftigte, die die Kriterien für das passive Wahlrecht erfüllten. Woraufhin die Arbeitgeberin mitteilte, die Belange dieser Personen würden nun wieder von der Schwerbehindertenvertretung ihres Betriebs in L. mit übernommen.

Damit will sich die Vertrauensperson in K. nicht ab­finden. Aus Gründen der Rechtssicherheit gerade bei einem knappen Überschreiten des Schwellenwerts komme es allein darauf an, dass dieser zum Zeitpunkt der Wahl erreicht sei. Zudem sei angesichts von derzeit drei Langzeiterkrankten zu erwarten, dass die Hürde wieder übersprungen werde. Wohingegen das Unternehmen darauf verwies, dass es sich gerade in einer „Phase des Personalabbaus“ befinde, so dass nicht mit einem Wiederanstieg der Zahl Schwerbehinderter im Betrieb zu rechnen sei. ArbG und LAG in Köln schmetterten den Feststellungsantrag der Klägerin mit dem Hinweis auf das Betriebsverfassungsrecht ab: Zwar seien die Folgen eines Schwunds der Wahlberechtigten für die Belegschaftsvertretung ebensowenig im BetrVG geregelt wie für die Behindertenvertretung im SGB IX. Doch nach allgemeiner Auffassung ende dann für Erstere die Amtszeit. Und dieser Grundsatz sei aufs Schwerbehindertenrecht zu übertragen.

Stress in der Europa-AG. Wir bleiben im Arbeitsrecht: Der EuGH will am 18.10. über eine Vorlage des BAG entscheiden. Der Hintergrund: Seit Einführung der ­Societas Europaea (SE) – auch Europa-AG genannt – warben Wirtschaftsanwälte für die Umwandlung in die neue Rechtsform nicht zuletzt mit dem Argument, damit lasse sich der jeweilige Status quo der Mitbestimmung im Unternehmen „einfrieren“. Die Luxemburger Richter sollen nun im Fall des Softwarekonzerns SAP klären, wieweit dabei die Rechte der Gewerkschaften reichen. Ursprünglich galt dort das Mitbestimmungsgesetz; der 16-köpfige Aufsichtsrat der AG deutschen Rechts war je zur Hälfte mit Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer besetzt. Zu Letzteren gehörten zwei Personen, die von Gewerkschaften vorgeschlagen worden waren und in einem separaten Wahlgang bestimmt wurden. Beim Wechsel des Rechtskleids im Jahr 2014 wurde zwischen der Arbeitgeberin und dem „besonderen Verhandlungsgremium“ eine Vereinbarung nach dem SE-Beteiligungsgesetz (SEBG) geschlossen, die eine Möglichkeit zur Verkleinerung des Kontrollorgans auf zwölf Mitglieder vorsieht. Dann sollen die Gewerkschaften zwar eigene Vorschläge ­unterbreiten, aber kein getrennter Wahlgang mehr stattfinden. IG Metall und Ver.di halten dagegen, dies verstoße gegen § 21 VI SEBG. Auch Generalanwalt ­Richard de la Tour sieht darin ein „prägendes Element“, das nicht Gegenstand von Verhandlungen sein könne.

Ersatzzustellung bei Corona. Ist eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten unwirksam, wenn der Austräger zur Vermeidung von Kontakten während der Covid-19-Pandemie gar nicht erst versucht, eine – nach § 180 ZPO vorrangige – persönliche Übergabe in der Wohnung oder den Geschäftsräumen durchzuführen? Das will der BFH am 19.10. klären. Zudem: Ist hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, obwohl in der Kanzlei die Anweisung bestand, bei allen förmlich zugestellten, aber nicht persönlich übergebenen Schriftstücken als Eingangsdatum erst den Tag der Entnahme aus ihrem Briefkasten anzusehen? Und: Ist ein Steuerbescheid unwirksam, wenn der Kläger ihn wegen eines Streits mit seinem früheren Steuerberater, bei dem sich das Schreiben befindet, nicht vorlegt und in den Akten des Finanzamts nur noch die beiden ersten Seiten der Aktenverfügung vorhanden sind?

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