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Die Termine der 41. Kalenderwoche
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Was wurde aus einem Beamten des Bundesamts für Verfassungsschutz, gegen den wegen Aktenvernichtung im Zusammenhang mit der NSU-Terrorgruppe ermittelt wurde? Das will die Wochenzeitung "Die Zeit" mit Hilfe des Bundesverwaltungsgerichts herausfinden. Bekannt ist er nur unter Tarnnamen. Weitere Juristenthemen in der 41. Kalenderwoche: Der Bundesrat hat sich ein Gesetzgebungsmarathon vorgenommen. Und der Bundesgerichtshof feiert zusammen mit der Bundesanwaltschaft 70. Geburtstag.

1. Okt 2020

Geschredderte Akten. Öffentlich bekannt ist über Lothar Lingen nur, dass er in Wirklichkeit anders heißt. Hinter diesem Decknamen verbirgt sich nämlich ein Beamter des Bundesamts für Verfassungsschutz, für den sich die Wochenzeitung „Die Zeit“ interessiert – seit sechs Jahren schon. Gegen den Referatsleiter war ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, als herauskam, dass er im Jahr 2011 Akten über sieben V-Leute aus dem Umfeld der Nazi-Terrorgruppe NSU hatte vernichten lassen, und das unmittelbar nach Bekanntwerden der Mordserie. Mit ein Grund dafür, dass der damalige Behördenchef Heinz Fromm zurücktrat und der seinerzeitige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) „knallharte Konsequenzen“ ankündigte. Die von „Herrn Lingen“ instruierte Mitarbeiterin soll sich zunächst der Aktenbeseitigung widersetzt haben, weil er ihr dafür keine Erklärung gegeben, sondern sie nur angeschnauzt habe. Die Zeitung glaubt zwar nicht, dass Mitarbeiter des Nachrichtendienstes geheime Kontakte zum NSU gehabt oder ihn gar gesteuert hätten, doch hält sie zumindest Pannen bei der Beobachtung für möglich, die sich aus den Aufzeichnungen hätten ergeben können – ebenso wie die Identität der Thüringer Informanten. Daher fragte sie nach dem Stand des Disziplinarverfahrens und ob sich daraus Erkenntnisse über die Motivation zu der Schredderaktion ergeben hätten. Doch das Bundesamt verweigerte jede Antwort.

Das VG Köln bestätigte daraufhin den presserechtlichen Auskunftsanspruch, den es mangels einer Regelung im BVerfSchG (und wegen fehlender Maßgeblichkeit der Landespressegesetze) unmittelbar aus der Verfassung herleitete. Schutzwürdige Interessen der Behörde oder des Beamten stünden dem nicht entgegen – zumal der Mann auch nach seinem (nicht-öffentlichen) Auftritt vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestags nur unter seiner Tarnidentität bekannt sei. Das OVG Münster milderte diesen Spruch etwas ab. Am 7.10. will sich nun das BVerwG mit dem Begehren der „Zeit“ befassen. Die will freilich längst herausgefunden haben, dass er mittlerweile zu einer anderen Bundesbehörde abkommandiert und ein Strafverfahren gegen ihn ergebnislos eingestellt worden sei.

Fleißige Bundesländer. Ein stattliches Arbeitspensum hat sich der Bundesrat für den 9.10. vorgenommen. So steht das vom Bundestag bereits verabschiedete „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“, das vor allem „missbräuchliche Abmahnungen“ erschweren soll, dort vor der letzten Hürde. Dass diese ein nennenswertes Problem darstellen, wird aus der Anwaltschaft allerdings ebenso bestritten wie die Sinnhaftigkeit der Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstands“ im UWG (NJW-aktuell H. 40/2020, 3). Auch die umfangreiche, wenngleich gegenüber dem Regierungsentwurf abgeschwächte WEG-Reform (NJW-aktuell H. 39/2020, 8) sowie eine Verlängerung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG; NJW-aktuell H. 40/2020, 8) hat die Länderkammer – voraussichtlich im letzten Durchgang – auf ihre Agenda gesetzt.

Geburtstag in Karlsruhe. „Corona-gerecht“, wie BGH- Präsidentin Bettina Limperg dies im Interview mit der aktuellen NJW nannte, begeht das oberste Zivil- und Strafgericht am 8.10. gemeinsam mit der Bundesanwaltschaft den 70. Geburtstag. Statt der ursprünglich geplanten Präsenzveranstaltung in der Karlsruher Schwarzwaldhalle mit über 1.000 internationalen Gästen treffen sich die aktiv Beteiligten im Gerichtsgebäude. Die Veranstaltung wird ab 11 Uhr im Internet gestreamt und zudem im SWR-Fernsehen live über tragen. Vorgesehen sind unter anderem ein Videogruß von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie eine Talk-Runde mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Matthias Bruhn von der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Der ARD-Journalist Frank Bräutigam spricht mit ihnen über das Thema: „Bilder der Justiz – Ab-Bild der Gesellschaft?“

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.