Volksverhetzung. Heutzutage, wo viel über den Kampf gegen „Hass und Hetze“ diskutiert wird, ist auch oft die Rede von Volksverhetzung (§ 130 StGB). Ein Straftatbestand, den es übrigens schon im Kaiserreich gab, allerdings mit einer speziellen Zielsetzung: Damals hieß er „Anreizung zum Klassenkampf“. Mittlerweile geht es längst um den Schutz von Bevölkerungsgruppen – etwa religiöser oder ethnischer Minderheiten. 1994 wurde die Norm vor dem Hintergrund einer fremdenfeindlichen Gewaltwelle um das Verbot der „Auschwitzlüge“, also das Leugnen des Holocaust, ergänzt. Der BGH verkündet am 25.9. sein Urteil über einen Fall, der die vielfältigen Abgrenzungsprobleme illustriert: Das LG München II hatte die Angeklagte freigesprochen. Sie habe zwar den unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermord an den europäischen Juden als historische Tatsache geleugnet. Das habe sie aber (ausführlich) in einem Fax an das Finanzamt getan und lediglich mit einer Kenntnisnahme durch die mit der Sachbearbeitung betrauten Personen gerechnet. Insbesondere sei dies kein Verbreiten im Sinne des Straftatbestands gewesen: Die Verfasserin habe es weder darauf abgesehen noch billigend in Kauf genommen, dass es an einen größeren Personenkreis weitergegeben werde. Ferner habe man die „hohe Datensensibilität der Finanzbehörden“ und deren Verschwiegenheitspflicht berücksichtigt. Das mag die Staatsanwaltschaft nicht hinnehmen. Hinzu kommt: Es geht um die rechtsradikale Juristin Sylvia Stolz aus dem oberbayerischen Ebersberg. Sie war bereits zweimal wegen Volksverhetzung verurteilt worden und saß rund fünf Jahre im Gefängnis. Auch ihre Zulassung als Rechtsanwältin ist ihr entzogen worden.
Nachrichtendienst. Ein IT-Sicherheitsexperte und freier Journalist will vom BND erfahren, welche Daten der Geheimdienst zu seiner Person gespeichert hat. Das Besondere: Die Schlapphutbehörde teilte ihm mit, sie habe nur Veröffentlichungen gespeichert, in denen der Kläger als Autor genannt werde oder in deren Fußnoten sein Name erscheine. Die vorhandenen Dokumente seien das Ergebnis einer Open Source Intelligence (OSINT)-Recherche zu bestimmten Themen, die für die Arbeit des BND relevant seien und über die in den öffentlich zugänglichen Dokumenten berichtet werde. Das BVerwG befasst sich am 25.9. in erster und letzter Instanz mit dem Begehren.
Wegeunfall. Steht es unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn eine Arbeitnehmerin das Wochenende weitab von ihrem Wohnort verbracht hat, von dort heimfährt, um Materialien für den Job zu holen, und schon dabei einen Verkehrsunfall erleidet? Das will das BSG am 26.9. klären. Es geht um eine Kirchenangestellte, die sich daheim einen Schlüssel und Unterlagen besorgen wollte und dabei verunglückte – also noch vor der Fahrt zu ihrem Arbeitsplatz.
Weiteres. Das BAG befasst sich am 25.9. mit diversen möglichen Fehlern bei einem Teil der Betriebsratswahlen eines bundesweiten Lebensmittel-Discounters mit 467 Filialen. Am Tag zuvor geht es in Erfurt darum, ob ein Bauunternehmen für die Eisenbahninfrastruktur ohne Arbeitnehmervertretung vor einer Neueinstellung die Zustimmung eines Betriebsrats hätte abwarten und einholen müssen, der erst zwei Tage nach Erstellung des Arbeitsvertrags gewählt wurde. Das BVerfG verhandelt am selben Tag über die Abschöpfung von Überschusserlösen nach dem Strompreisbremsegesetz; 22 Betreiber von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien haben Verfassungsbeschwerde eingelegt. Der EuGH entscheidet am 26.9. über eine Vorlage des VG Wiesbaden: Muss eine Aufsichtsbehörde, die eine rechtswidrige Datenverarbeitung feststellt, stets einschreiten? Und noch mal DS-GVO: Das BSG urteilt am 24.9. über einen Schadensersatzanspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit wegen eines behaupteten immateriellen Schadens. Sie hatte dem Kläger seine begehrten Auskünfte vergeblich mehrfach in vier Kartons durch einen Boten zukommen lassen wollen.
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Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.