Bislang kann der leibliche Vater eines Kindes den Status des rechtlichen Papas nicht anfechten, wenn Letzterer eine soziale Bindung an den Sprössling hat. Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob das so bleiben darf. Vor dem Bundesgerichtshof geht es um eine Preisänderungsklausel in Fernwärmelieferungsverträgen. Der Europäische Gerichtshof beantwortet dessen Frage, ob ein Rückgaberecht von Kunden allein von deren Zufriedenheit abhängen darf. Und das Bundessozialgericht untersucht die Rechtsbehelfsbelehrung eines Jobcenters ohne Hinweis auf die Möglichkeit, einen Widerspruch digital einzulegen.
Zwei Sorten Papa. Der biologische Vater ist nicht auch zwangsläufig der rechtliche. So bunt, wie das wirkliche Leben nun einmal ist, liegt das nahe – manch Seitensprung bleibt im Verborgenen, und Samenspender wollen auch meist nicht an der Aufzucht des von ihnen gezeugten Sprösslings teilhaben. Lange regelte daher § 1600 BGB uneingeschränkt, dass der leibliche Papa die juristische Position dessen, den das Recht als Vater behandelt, nicht anfechten kann. Doch 2003 fuhr das BVerfG dazwischen: Der komplette Ausschluss des Rechtswegs für den leiblichen Vater sei mit Art. 6 II GG unvereinbar (NJW 2003, 2151). Woraufhin der Bundestag mit dem Vaterschafts-Anfechtungs-Änderungs-Gesetz diesen Rechtsbehelf zuließ. Voraussetzung: Der Mann muss an Eides statt versichern, der Mutter während der Empfängniszeit „beigewohnt“ zu haben. Und zwischen dem Kind und seinem formalen Vater darf keine „sozial-familiäre Beziehung“ bestehen (oder bei dessen Tod bestanden haben). 2017 gab es eine weitere Korrektur, die speziell missbräuchliche Anerkennungen der Vaterschaft im Ausländerrecht betraf und zu deren Verbot in § 1597a BGB führte.
Das Verhältnis von Genen und Paragrafen stellt das BVerfG am 26.9. abermals auf den Prüfstand. Der biologische Vater eines Kindes möchte den Status des gesetzlichen Papas angreifen, obwohl jener eine soziale Bindung an den Sprössling hat: Das verletze seine eigenen Grundrechte und die des Nachwuchses, zu dem er selbst ebenfalls eine Beziehung habe. Der Erste Senat will sich in mündlicher Verhandlung darüber informieren, wovon stabile Bindungen von Jungen und Mädchen abhängen – insbesondere über den Erkenntnisstand zur „Gleichzeitigkeit von Bindungen und Bindungsabbrüchen“ sowie zu „Verantwortungsstreitigkeiten bei mehreren Personen zugewiesenen Elternrechten“. Aber auch Rechtsdogmatiker kommen auf ihre Kosten: So soll die „Beschränkung der Grundrechtsträgerschaft auf zwei Personen“ hinterfragt werden.
Energieversorger. Erstmals befasst sich der BGH mit Rechtsfragen zur Wirksamkeit der geänderten Preisänderungsklausel in Fernwärmelieferungsverträgen eines Berliner Versorgungsunternehmens. Es handelt sich um zwei weitere von zahlreichen in Karlsruhe anhängigen und mittlerweile überwiegend entschiedenen Verfahren, in denen Ansprüche gegen den Anbieter geltend gemacht werden. Verhandelt hat der VIII. Zivilsenat bereits im Juli, am 27.9. will er verkünden.
Zufriedenheit. Fragen unserer obersten Zivilrichter will am 28.9. der EuGH beantworten. Und zwar ob eine Garantie vorliegt, wenn ein Händler ein Rückgaberecht einräumt, das nur von der Zufriedenheit des Kunden abhängt – also in dessen Belieben gestellt sei. Denn dann griffen die Pflichten aus §§ 443 und 479 BGB. Der I. Zivilsenat bezweifelt dies, will aber wissen, ob das von der Verbraucherrechte- und der Warenkaufrichtlinie gedeckt ist. Geklagt hat auf Grundlage des UWG eine Online-Händlerin gegen einen Hersteller von T-Shirts, an denen Anhänger (Hang-Tags) mit der Zusage einer „Lifetime Warranty“ befestigt waren.
Zugang. Ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig erteilt worden, wenn sie nicht auf die Möglichkeit hinwies, einen Widerspruch in elektronischer Form einzulegen – die Behörde aber den Zugang zum elektronischen Rechtsverkehr noch gar nicht eröffnet hatte, obwohl sie eine Mailadresse im Briefkopf angab? Das will am 27.9. das BSG klären. Klägerin ist eine syrische Familie, von der das Jobcenter einen Teil ihrer Grundsicherung für Arbeitsuchende zurückfordert, weil der Mann mittlerweile berufstätig ist. Nach einem dreiviertel Jahr legte eine Rechtsanwältin Widerspruch gegen die Rückforderungsbescheide vom Februar 2018 ein: Mangels ausreichender Rechtsbehelfsbelehrung habe die Monatsfrist nicht gegolten. Das LSG Schleswig-Holstein sah das anders: Schließlich sei die Verwaltungseinrichtung damals noch nicht einmal ins EGVP-Verzeichnis aufgenommen gewesen.
Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.