Kuttenträger. Der Anblick von tätowierten Rockern in Lederkluft auf schweren Motorrädern mag romantische Assoziationen zu wilden Roadtrips hervorrufen. Doch mitunter steckt knallharte Organisierte Kriminalität dahinter. Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat denn auch im Juli 2021 die Gruppe „Bandidos Motorcycle Club Federation West Central“ verboten, weil Zweck und Tätigkeit des Vereins einschließlich seiner Teilorganisationen den Strafgesetzen zuwiderliefen – darunter schwere Körperverletzungen sowie versuchte Tötungsdelikte. Machtkämpfe mit den „Hells Angels“ sollen etwa der Hintergrund einer Schießerei in der Kölner Innenstadt gewesen sein. 34 „Chapter“ (also durchaus nicht alle) und diverse einzelne Personen sind betroffen, die sich nun vor dem BVerwG wehren. Allein 28 der aufgelösten Untergruppen befanden sich in Nordrhein-Westfalen, weitere in Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz; bundesweit wurden ihnen 650 Mitglieder zugerechnet. Gegen zwei weitere Chapter mit Heimat in Griechenland sprach Seehofer ein Betätigungsverbot im Inland aus: „Wesensprägend für den Verein ist insbesondere dessen strafrechtswidrige Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Rockergruppierungen und anderen Organisationen.“ Bei der Polizeiaktion wurden Westen („Kutten“) mit Aufnähern („Patches“, die Auszeichnungen für schwere Straftaten sein sollen) beschlagnahmt; ihr Tragen auch durch Rocker nicht verbotener Teilvereine ist unzulässig, was das BVerfG (NVwZ 2020, 142) gebilligt hat. Waffen, Munition, Drogen, Motorräder, Speichermedien und größere Mengen Bargeld nahmen die Beamten ebenfalls mit.
Die Klägerschar macht hingegen geltend, sie habe sich schon vor dem Vereinsverbot selbst aufgelöst. Die Chapter seien keine Teilorganisationen, und die von einzelnen Personen begangenen Straftaten könnten dem Verein nicht zugerechnet werden. Was das Bundesinnenministerium nicht glaubt: Nachfolgeorganisationen wiesen Charakteristika auf, die die Begehung von Straftaten durch ihre Funktionäre und Mitglieder im Interesse des Vereins förderten. Die zahlreichen, teils sehr schweren Straftaten zu diesem Zweck hätten den Verband geprägt. Am 18.9. (und bei Bedarf auch am Folgetag) wollen die Leipziger Bundesrichter in erster und letzter Instanz über den Fall verhandeln.
VBL. Nicht täglich, aber alle paar Jahre grüßt dieses „Murmeltier“: Vor dem BGH geht es am 20.9. um die Startgutschriftenregelung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für rentenferne Versicherte. Die Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst war im Jahr 2002 auf Basis von tarifvertraglichen Vereinbarungen umgestellt worden. Die obersten Zivilrichter erklärten 2007 die Übergangsregelung zur neugefassten Satzung, die rund 1,7 Millionen Staatsdiener betraf, für gleichheitswidrig. Die daraufhin geänderten Bestimmungen verwarfen sie 2016 erneut. Gegen die sodann vorgenommenen Korrekturen sind abermals etliche Klagen anhängig.
Arzttermin. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen müssen durchgängig verlängert werden. Doch was tun, wenn die Sprechstundenhelferin eine langfristig Kranke wegen eines vollen Wartezimmers nicht am Tag vor Ablauf zum Doktor vorlässt? Das BSG will am 21.9. klären, ob dann nicht die Versicherte Schuld hat, die weiterhin Krankengeld beziehen möchte, sondern die Krankenkasse wegen ihrer Verantwortung für die Vertragsärzte. So das LSG Bayern, das dies mit drastischen Worten zum Gesundheitswesen in der Vorinstanz ausgeführt hat. Dass die Patientin nicht vorab einen Termin vereinbart hatte, stehe dem nicht entgegen.
Familiengerichtstag. Zum 24. Mal trifft sich die Gemeinde der Familienrichter, und zwar vom 21.–23.9. – erstmalig in Bonn statt in Brühl und einen Tag kürzer als gewohnt. Den Festvortrag mit dem Titel „Das staatliche Wächteramt – Wunsch und Wirklichkeit“ hält BVerfG-Richter Henning Radtke.
Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.