Probefahrt ohne Wiederkehr. Mit einem Gaunerstück befasst sich am 18.9. der V. Zivilsenat des BGH. Kläger ist ein Autohaus, das einem angeblichen Kaufinteressenten eine Großraumlimousine zu einer „Probefahrt“ überlassen hatte – und den Mercedes-Benz V 220d nicht wieder zu sehen bekam. Bis heute ermittelt die Polizei gegen „Unbekannt“, um herauszufinden, wer der Mann mit einer hochwertigen Fälschung eines italienischen Personalausweises, einer Meldebestätigung aus Deutschland sowie einem italienischen Führerschein war. Einen Vorsprung vor den Fahndern hatte er sich verschafft, indem er eine knappe Stunde nach seiner Abfahrt anrief und behauptete, er werde sich etwas verspäten. Der Clou: Über ein Internetportal ist das Fahrzeug inzwischen unter Übergabe einer ebenfalls professionell nachgeahmten Zulassungsbescheinigung an eine Privatperson verkauft worden. Für die Käuferin war es nach eigenen Angaben eine böse Überraschung, als sie den Wagen anmelden wollte und ihr dies unter Hinweis auf den Diebstahl verwehrt wurde. Nun verlangt sie von dem Händler die Herausgabe der echten Zulassungsbescheinigungen sowie eines zweiten Originalschlüssels. Der hingegen zog vor Gericht und will seinen Vorführwagen (Kilometerstand: 22.000 km) nebst dem anderen Schlüssel zurück.
Die beiden Vorinstanzen hätten nicht kontroverser entscheiden können, wobei sie sich tief ins Sachenrecht einarbeiteten. Das LG Marburg kam zu dem Schluss, die Käuferin habe den Mercedes-Benz gutgläubig erworben. Das OLG Frankfurt a. M. hatte daran hingegen erhebliche Zweifel: Die Frau hatte sich in Begleitung von Ehemann und Tochter von dem „ihr unbekannten Verkäufer mit ausländischem Akzent“ telefonisch zu einem Treffpunkt an einem städtischen Hauptbahnhof lotsen lassen, wo der ihr eine „ausweisähnliche Plastikkarte“ vorlegte. Zudem habe sie auf dessen Wunsch den auf dem ADAC-Formular eingetragenen Barpreis von 46.500 Euro um 3.000 Euro heruntergemogelt. Dies sei „besser für seine Arbeit“, habe er erklärt – zugleich aber, dass er den Wagen für seinen Großvater verkaufe, der ihn aus Versehen bestellt habe. Vor allem scheiterte aus Sicht der Frankfurter Oberrichter ein gutgläubiger Erwerb daran, dass dem Autohaus der Wagen „abhanden gekommen“ sei (§ 935 BGB): Der vorgebliche Probefahrer sei nämlich nur dessen Besitzdiener (§ 855 BGB) gewesen. Durch „Prüfung und Ablichtung“ der vorgelegten Dokumente, die Vereinbarung der ständigen telefonischen Erreichbarkeit, die Zurückhaltung der Original-Zulassungspapiere und die Anbringung von roten Kennzeichen habe es dokumentiert, dass die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft jederzeit und ausschließlich von ihrem Willen abhängig gewesen sei. Das LG hatte den Dieb dagegen noch als echten Besitzer eingestuft: Schließlich habe es zum Geschäftsmodell des Händlers gehört, ihn ohne Begleitung und GPS-Ortung ziehen zu lassen.
Verschwiegener Fiskus. Kann ein Insolvenzverwalter vom Finanzamt Auszüge aus dem Steuerkonto eines Schuldners verlangen? In dem Streitfall hatte die Behörde Abgabenforderungen von mehr als einer Viertel Million Euro angemeldet, die das Amtsgericht auch feststellte – wenngleich ohne Aussicht auf die geringste Quote. VG und OVG Lüneburg lehnten das Auskunftsbegehren des Verwalters ab, weil ein Anspruch sich weder aus DS-GVO, AO oder InsO ergebe. Am 16.9. will das BVerwG das letzte Wort hierzu sprechen.
Hybrider Juristentag. Das Corona-Virus hat auch dem altehrwürdigen Deutschen Juristentag einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der 73. DJT in Hamburg wurde in der geplanten Form – zwei Tage lang sollte es zentrale Veranstaltungen sowie sechs parallel konferierende Fachabteilungen geben – abgeblasen. Stattdessen findet am 18.9. eine „hybride“ Veranstaltung statt: im Internet kostenlos und für eine begrenzte Teilnehmerzahl physisch vor Ort. An eine rund einstündige Eröffnungsveranstaltung schließen sich zwei etwa zweistündige Podien zu den Themen „Grundrechte in der Pandemie“ und „Verteilung der Lasten der Pandemie“ an.