Kampf für Stechuhr. Eigentlich würde man ja denken, dass Betriebsräte die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung skeptisch sehen – erweitert sie doch die Kontrolle der Arbeitnehmer. Doch das BAG urteilt am 13.9. über eine genau entgegengesetzte Klage: Eine Belegschaftsvertretung kämpft für die Einführung einer digitalen Stechuhr. Arbeitgeber ist eine von zwei Unternehmen gemeinsam betriebene vollstationäre Wohneinrichtung im Rahmen der Eingliederungshilfe mit rund 100 Beschäftigten. Die beiden hatten bereits die Lesegeräte für eine solche Vorrichtung angeschafft, die Einführung aber aufgegeben, als Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung scheiterten. Doch der Betriebsrat wünschte sich die Neuerung und erreichte in zwei Instanzen die Einsetzung einer Einigungsstelle. Dort machten die Arbeitgeberinnen jedoch deren Unzuständigkeit geltend: Der Gegenseite fehle das Initiativrecht für die Einführung einer solchen technischen Einrichtung. Woraufhin das Kompromissgremium seine Arbeit aussetzte und der Betriebsrat (abermals) vor Gericht zog, um sich die Kompetenz für seinen Vorstoß bescheinigen zu lassen.
Sein Argument: Auch die Beschäftigten könnten ein Interesse an der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung und von „mehr Kontrolle“ haben, gerade wenn es um die genaue Dokumentation von Arbeitszeit und Überstunden gehe. Schließlich gebe es andere schützenswerte Rechte, die den Persönlichkeitsschutz überwiegen könnten. Gefahren in der Praxis wie unbezahlten Überstunden, Verletzung von Ruhepausen oder Kappung von Arbeitszeitguthaben könne nur entgegengewirkt werden, wenn ein objektives System etabliert würde – weshalb Arbeitgeber dies oft verhindern wollten. Die beiden Unternehmen kontern, das Mitbestimmungsrecht bei Einführung technischer Kontrolleinrichtungen nach § 87 I Nr. 6 BetrVG sei ein reines Abwehrrecht zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter. Ergo könne deren Interessenvertretung nicht die Initiative ergreifen, damit eine solche eingeführt wird. Während das ArbG Minden dem folgte, stellte sich das LAG Hamm auf die Seite der Belegschaftsvertreter: Der Gesetzgeber habe in sozialen Angelegenheiten bewusst nicht zwischen Mitbestimmungsrechten mit deren Initiativrecht und solchen unterschieden, bei denen dieses nur beim Arbeitgeber liege. Dem steht aus Sicht der Richter in Hamm nicht entgegen, dass das BAG anno 1989 noch gegenteilig entschieden hat. Auf das EuGH-Urteil von 2019, wonach Arbeitszeiten durch ein elektronisches System erfasst werden müssten, komme es somit nicht weiter an.
Schaden am Sondereigentum. Streit um die Verteilung des Selbstbehalts einer Gebäudeversicherung gibt es in einer Kölner Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin will sich nicht mehr daran beteiligen, weil die Leitungswasserschäden nicht ihr Sondereigentum betrafen, sondern nur in anderen Wohnungen auftraten. Der BGH judiziert am 16.9. über ihre Klage auf gerichtliche Beschlussersetzung.
Europarichter am Werk. Gewichtiges tut sich in Luxemburg: Am 14.9. entscheidet das EuG über eine Geldbuße von 4,34 Milliarden Euro, die die EU-Kommission im Jahr 2018 gegen Google verhängt hat. Der Suchmaschinenbetreiber soll bei Android-Mobilgeräten kartellrechtswidrige Praktiken angewendet haben, um seine Marktmacht zu stärken. Am selben Tag wird von dieser ersten Instanz mündlich darüber verhandelt, ob die Brüsseler Wettbewerbshüter Beihilfen des deutschen Staates für Unternehmen in der Corona-Pandemie genehmigen durften. Die Textilunternehmen Breuninger und Falke sehen sich dadurch benachteiligt.
Juristen am PC. Zum 31. Mal trifft sich der Deutsche EDV-Gerichtstag. Vom 14.–16.9. geht es in Saarbrücken u.a. um das Anwaltspostfach „beA“, Künstliche Intelligenz in der Bilderkennung, hybride Hauptverhandlungen, Legal Tech und die Datenanalyse von Gerichtsentscheidungen.
Dieser Inhalt ist zuerst in der NJW erschienen. Sie möchten die NJW kostenlos testen? Jetzt vier Wochen gratis testen inkl. Online-Modul NJWDirekt.