Agenda
Die Termine der 36. Kalenderwoche
Agenda
yulenochekk / Adobe

Auch Rechtsberatung steht auf der Sanktionsliste gegen Russland. Dürfen Notare dennoch den Kauf einer Eigentumswohnung in Berlin durch Deutsche von einer Firma in Moskau beurkunden? Das entscheidet der EuGH. Aber hiesige Gerichte haben ebenfalls einiges zu tun.

28. Aug 2024

Rechtshilfe für Russen. Die Sanktionen gegen Russland wegen des anhaltenden Überfalls auf die Ukraine tangieren auch Angehörige der rechtsberatenden Berufe. Denn die EU-Verordnung 2022/1904 (sie umfasst das achte von bislang 14 Sanktionspaketen) verbietet in dem umfangreichen Art. 5n I im Kern, für die Regierung Russlands oder „niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen“ „unmittelbar oder mittelbar Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung einschließlich Abschlussprüfung, Buchführung und Steuerberatung sowie Unternehmens- und Public-Relations-Beratung zu erbringen“. Und erweitert dies in Abs. II auf die Bereiche „Architek­tur und Ingenieurwesen, Rechtsberatung und IT-Beratung“. Wer es genau wissen will: Sie ändert die EU-Verordnung Nr. 833/2014 „über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren“, welche sich gegen die unrechtmäßige Annexion der Krim und Sewastopols richtete. Der EuGH verkündet am 5.9. sein Urteil über eine Vorlage des LG Berlin (mittlerweile LG Berlin II).

Der Fall: Zwei Deutsche mit Wohnsitz in Berlin wollten sich dort eine Eigentumswohnung kaufen. Der von beiden Parteien beauftragte Notar in der Bundeshauptstadt weigerte sich jedoch, den Vertrag zu beurkunden und dessen Vollzug zu betreiben, weil die Veräußerin eine Firma mit Sitz in Moskau ist. Die Beschwerde dagegen lehnte er ab und leitete sie an die Landrichter weiter. Denn er könne nicht ausschließen, gegen EU-Restriktionen gegen das Kreml-Reich zu verstoßen. Diese fragten daraufhin die Luxemburger Kollegen nicht nur, ob der Freiberufler diese Dienstleistungen verweigern durfte, sondern auch, ob ein Dolmetscher hinzugezogen werden dürfte. Immerhin dürfe ein deutscher Notar nach § 15 I 1 BNotO seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Ein solcher besteht der Anfrage an den EuGH zufolge aller­dings nach § 4 BeurkG, wenn die Handlungen mit den Amtspflichten des Notars nicht vereinbar wären; dann müsse er sogar nach § 14 II BNotO jede Mitwirkung versagen. Und hier komme insofern ein Verstoß gegen die Brüsseler Vorgaben in Betracht. Allerdings geben die Berliner Richter zu bedenken: „Da die Mitwirkung eines Notars bei der Veräußerung von Immobiliareigen­tum nicht entbehrlich ist, würde den in Russland ansässigen juristischen Personen rechtlich und tatsächlich jede Möglichkeit zur Verfügung über ihr Immobi­lienvermögen in Deutschland genommen, wenn den Notaren ihre Amtstätigkeit schon bei Beteiligung dieser Personen durch Artikel 5n II VO (EU) Nr. 833/2014 verboten wäre.“ Generalanwältin Laila Medina meinte dazu in ihren Schlussanträgen salomonisch: Die Beurkundung eines Kaufvertrags über das Eigentum einer in Russland niedergelassenen juris­tischen Person an einer Immobilie falle nicht unter die Vorschrift, sofern diese sich nach dieser Verordnung an Transaktionen beteiligen dürfe und die Beurkundung nicht durch eine Rechtsberatung ergänzt werde.

Und sonst? Das BVerwG befasst sich am 5.9. mit der Anrechnung von Ruhezeiten auf die Arbeitszeit eines Thüringer Bereitschaftspolizisten sowie (in erster In­stanz und ohne nähere Informationen des Gerichts dazu) einer Erschwerniszulage im Besoldungsrecht. Am BAG geht es am selben Tag um eine nicht gewährte Hauptstadtzulage für eine angestellte Schulleiterin: Oberhalb der Entgeltgruppe 13 TV-L besteht nach ­Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg kein Anspruch darauf, weil diese der Gesetzesgrundlage zufolge nur für Tätigkeiten gezahlt werden solle, für die die Personalgewinnung zunehmend schwieriger sei – daher auch kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot. Das BSG beleuchtet ebenfalls am 5.9. in zwei Verfahren die Nutzenbewertung nach § 35a I SGB V durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, wenn ein neu zugelassenes Arzneimittel bloß auf einer bisher nicht anerkannten Wirkung eines bekannten Wirkstoffs beruht. Am selben Datum klärt der BFH, ob zwei in Verfassungsschutzberichten erwähnten Organisationen die Gemeinnützigkeit aberkannt werden kann. Allerdings hat sich die Ampelkoalition nach dem „Attac“-Urteil des BFH eine Lockerung des einschlägigen § 52 II AO auf die Fahnen geschrieben.

Dieser Inhalt ist zuerst in der NJW erschienen. Sie möchten die NJW kostenlos testen? Jetzt vier Wochen gratis testen inkl. Online-Modul NJWDirekt.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der Schriftleitung.