Agenda
Die Termine der 35. Kalenderwoche
Agenda
Lorem Ipsum
Claudio Divizia / Adobe

Durften ein Hamburger Amtschef und sein Stellvertreter Freikarten für ein Konzert der Rolling Stones annehmen? Der Bundesgerichtshof muss prüfen, ob das Korruption war. Das Bundesverwaltungsgericht befasst sich damit, ob eine Fahrerlaubnis wegen Punkten aus dem früheren Mehrfachtäter-Punktesystem entzogen werden durfte. Und das Bundessozialgericht mit einer Transfrau, die sich auf Kosten ihrer Krankenkasse helle Barthaare entfernen lassen wollte.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 24. Aug 2023.

Rock’n Roll Never Dies. Noch immer touren die „Rock-Opas“ von den Rolling Stones durch die Welt und füllen die Arenen. Ihr Gig am 9.9.​2017 im Hamburger Stadtpark mit mehr als 80.000 Fans hat ein strafrechtliches Nachspiel – nicht für die Künstler, aber für den damaligen Chef des Bezirksamts und einen seiner Dezernatsleiter, ferner für den Geschäftsführer und den zuständigen Projektleiter des Konzertveranstalters: Der Amtsleiter soll 100 Freikarten im Gesamtwert von 15.000 Euro gefordert und an Mitarbeiter – Behördenchefs ebenso wie Azubis – sowie Kommunalpolitiker weitergegeben haben. Die soll die Firma denn auch tatsächlich als „Spende“ rausgerückt haben, um die Höhe des Nutzungsentgelts für das Gelände (am Ende rund eine Viertelmillion Euro) zu drücken. Die beiden Beamten haben dem LG der Elbestadt zufolge überdies ein rückdatiertes Schreiben verfasst, um eine Genehmigung für die Annahme vorzutäuschen. Es war der Auftakt der „No Filter“-Europatournee und galt selbst in der Hafenmetropole als legendäres Ereignis.

Die Strafkammer verurteilte den Höherrangigen wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung, seinen Untergebenen wegen Vorteilsannahme sowie Beihilfe dazu zu Geldstrafen von jeweils 180 Tagessätzen. Untreue oder Bestechlichkeit hätten hingegen nicht vorgelegen: Es sei nicht festzustellen gewesen, dass die Höhe der Nutzungsgebühr unangemessen niedrig gewesen oder durch die Gratistickets beeinflusst worden wäre. Auch habe die Teilnahme an Empfang und Konzert der „Erfüllung legitimer Repräsentationsaufgaben“ gedient. Die beiden Geschäftsleute kamen ungeschoren davon: Sie seien davon ausgegangen, dass all dies sich im Rahmen des Üblichen bewegt habe. In die Revi­sion gezogen sind nur die hanseatischen Strafverfolger, teilweise mit Unterstützung der Bundesanwaltschaft. Sein Urteil verkünden will der 5. BGH-Straf­senat am 31.8., zwei Tage nach der mündlichen Er­örterung in Leipzig.

Lappen weg. Das Mehrfachtäter-Punktesystem im Flensburger Sündenkatalog ist eigentlich schon seit 1.5.​2014 perdu. Doch wie steht es mit der Rückwirkung des neuen Fahreignungs-Bewertungssystems? Ein Autofahrer hatte dort seit 2000 allerhand Einträge angehäuft: Sechs Verwarnungen, zwei Anordnungen zur Teilnahme an einem Aufbauseminar sowie zwei Fahrverbote verzeichnete das Kraftfahrtbundesamt am 13.5.​2014. Das machte sechs noch nicht getilgte Punkte, wobei die vor dem Feiertag der Arbeit gespeicherten Mitteilungen nach altem Recht mit zehn und die späteren nach Umrechnung mit vier Punkten angegeben waren. Zusätzlich listete die Behörde zwei weitere Punkte auf, die aus einer Verkehrsordnungswidrigkeit vom Vorjahr stammten und nun erst in das neue Register eingetragen worden waren. Der Kläger wehrt sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis mit dem Argument, die vor der Reform begangenen Verfehlungen müssten nach dem alten Schema bewertet werden. Doch wie schon das VG Greifswald sah auch das dortige OVG keinen Rechtsstaatsverstoß: Als der Landrat den Führerschein einkassierte, sei die „Überliegefrist“ noch nicht abgelaufen gewesen, so dass kein Verwertungsverbot nach § 29 VII 1 StVG vorgelegen habe. Das BVerwG will dazu eigene Überlegungen anstellen und hat deshalb die Revision zugelassen, über die es am 30.8. verhandeln will.

Unwillige Vertragsärztin. Mit der Entfernung der Barthaare einer Transsexuellen befasst sich am 29.8. das BSG. Das Problem: Die gesetzliche Krankenkasse der Transfrau verweigert die Kostenerstattung für eine Nadelepilation, die nach der Gebührenordnung für Ärzte abgerechnet wurde. Außer der konsultierten Dermatologin, die dafür 7.755,50 Euro veranschlagt hat, fand sich kein Facharzt, der eine für die Behandlung heller Gesichtsstoppel geeignete Methode anbietet. Die Medizinerin ist auch durchaus als Vertragsärztin zuge­lassen, aber nicht bereit, die gewünschte Prozedur als Sachleistung (also auf Chipkarte statt gegen Rechnung) zu erbringen – obwohl sie dazu prinzipiell verpflichtet wäre.