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Bekommt Sozialhilfe erst, wer zuvor seine Lebensversicherung aufgelöst hat? Das entscheidet das Bundessozialgericht in einem Fall, in dem – wie so oft – ein Verwertungsausschluss vor Renteneintritt im Vertrag stand. Über Mobilfunktarife von Vodafone und Deutscher Telekom urteilt der Europäische Gerichtshof. Dort geht es auch um eine Europäische Ermittlungsanordnung für eine Durchsuchung in Italien, die das Finanzamt Münster ausgestellt hat. Und der Bundesfinanzhof prüft, ob ein Verzicht auf Scheidungsfolgen der Schenkungsteuer unterliegt.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 26. Aug 2021.

Schonungslose Lebensversicherung. Wer Sozialhilfe beziehen will, muss vorher sein „gesamtes verwertbares Vermögen“ aufbrauchen. Doch macht § 90 SGB XII von dieser Vorgabe neun halbwegs konkrete Ausnahmen – etwa für „Einsatz oder Verwertung“ eines „angemessenen Hausrats“, wobei „die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen“ sind. Abs. 3 sieht zudem pauschal eine Verschonung für Härtefälle vor. Das BSG will am 2.9. über die Klage eines Anspruchstellers verhandeln, der über eine private Renten- bzw. Kapitallebensversicherung verfügte, bei der jedoch ein Verwertungsausschluss vor Eintritt in den Ruhestand vereinbart war. Das Sozialamt hat dem schwerbehinderten Gemälderestaurator zwar Leistungen bewilligt, aber bis zur Höhe des Rückkaufwerts der Privatversicherung nur als Darlehen. Auch das LSG Sachsen kam zu dem Schluss, Zeiträume von 15 Jahren seien dabei zumutbar, und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände müssten sogar bis zu 25 Jahre in Betracht gezogen werden. Das leiteten die Richter in Chemnitz aus dem Nachranggrundsatz her, der eine Bedürftigkeitsprüfung gebiete. Die „gesteigerte Verwertungsobliegenheit“ sei bei dem Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht wie bei der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung auf einen Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten bezogen. Schließlich würden solche Versicherungsprodukte meist über Jahrzehnte angespart und in der maßgeblichen SGB-Vorschrift nicht privilegiert.

Reuevolles Roaming. Über verschiedene Mobilfunktarife entscheidet am 2.9. der EuGH. So wittert das VG Köln einen Verstoß von Vodafone gegen die Roaming-­Verordnung der EU: Die Bundesnetzagentur hatte die kostenlose Tarifoption „Vodafone Pass“ verboten, weil bei Nutzung der Dienste von Partnerunternehmen die verbrauchte Datenmenge nicht auf das Inklusivdatenvolumen angerechnet wird (Zero-Rating) – allerdings nur im Inland. In Streit steht ferner die Gratis-Zubuchoption „StreamOn“ der Deutschen Telekom, bei der ab einem bestimmten Umfang die Übertragung gedrosselt wird; dies könnte den Gleichbehandlungsgrundsatz jenes Regelwerks verletzen. Und das OLG Düsseldorf hat die Europarichter in einem Zwist zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Vodafone eingeschaltet, um zu erfahren: Umfasst der verordnungsgemäße Zugang zum offenen Internet das Recht der Nutzer, Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen? Der „Vodafone-Pass“ umfasste nämlich nicht die Inanspruchnahme eines mit dem eigenen Smartphone eingerichteten Hotspots zum Anschauen etwa eines Videos auf einem Laptop des Kunden („Tethering“).

Grenzenlose Durchsuchung. Nicht nur die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls, sondern auch jene für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung ist vor dem EuGH gelandet. Der urteilt am 2.9. über den Wunsch des Finanzamts Münster, Geschäftsräume in Italien durchsuchen zu lassen. Wegen eines Verdachts der Steuerhinter­ziehung hat es die Staatsanwaltschaft von Trient um Amtshilfe gebeten – freilich im Alleingang. Nach deutschem Recht nehme es in einem Ermittlungsverfahren nämlich selbst die Rechte und Pflichten einer Staatsanwaltschaft wahr. Doch die Strafverfolger im Nachbarland argwöhnen, die deutsche Verwaltungsbehörde hätte ihr Ersuchen von einer Staatsanwaltschaft (oder einem Gericht) „validieren“ lassen müssen.

Gewagte Heirat. Eheverträge sind wegen der Grenzen des rechtswirksam Festlegbaren nicht nur für Familienrechtler knifflig. Der BFH klärt am 1.9., ob eine Leistung für den dort erklärten Verzicht auf Scheidungsfolgen eine freigebige Zuwendung darstellt, wenn die Zahlung nur für den Fall einer Trennung zugesagt wird. Die Ex-Gattin wehrt sich gegen den Schenkungsteuerbescheid mit dem Argument, die Eheschließung sei ein „Wagnisgeschäft“ gewesen, da unklar gewesen sei, wer „Gewinner“ oder „Verlierer“ der Vereinbarung sein würde.