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Kopftuchhhh
Jacob Lund / Adobe
Kopftuchhhh

Das Kopftuch führt in der Arbeitswelt mitunter zu Konflikten – zumal im öffentlichen Dienst, der sich der religiösen und weltanschaulichen Neutralität verpflichtet hat. Das Bundesarbeitsgericht muss sich nun mit einer Muslimin befassen, der das Land Berlin den Quereinstieg als Lehrerin verweigert hat. Außerdem geht es in Erfurt um einen Schwerbehinderten, der in einem mehrstufigen Auswahlverfahren gescheitert ist. 

20. Aug 2020

Nicht ohne Kopftuch. Gleich zweimal geht es am 27.8. vor dem BAG um Entschädigungen nach dem AGG. Im einen Fall klagt eine Diplom-Informatikerin gegen das Land Berlin, das ihr einen Quereinstieg als Lehrerin verweigert hat. Zum Schluss ihres Bewerbungsgesprächs war sie nach eigenen Angaben gefragt worden, ob sie ihre Kopfbedeckung vor den Schülern ablegen würde, was sie verneint habe. Der Stadtstaat behauptet, die Frau sei schon allein wegen einer ausreichend vorhandenen Zahl an Laufbahnbewerbern nicht in den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst eingestellt worden. Zudem beruft er sich auf sein eigenes Neutralitätsgesetz, das im Unterricht seiner öffentlichen Schulen eine strikte Objektivität in religiösen und weltanschaulichen Fragen verlangt (außer in den einschlägigen Fächern). Was den Rechtsstreit zusätzlich kompliziert: Das BVerfG hat anlässlich zweier Musliminnen aus Nordrhein-Westfalen entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen an öffentlichen Schulen unzulässig ist (NJW 2015, 1359).

Darauf pocht nun das LAG Berlin-Brandenburg, das der Frau zum Ausgleich gut 5.000 Euro (eineinhalb Monatsgehälter) zugesprochen hat; das ArbG der Bundeshauptstadt hatte ihre Forderung noch rundum abgelehnt. Die Bewerberin – sie verlangt drei Monatsgehälter – sei unmittelbar benachteiligt worden, und das habe das Land auch nicht widerlegen können. Ihre Nichtberücksichtigung war demnach unzulässig, weil das Verbot getreu den Karlsruher Vorgaben einschränkend auszulegen sei. Sollten „religiöse Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild“ nicht erst im konkreten Einzelfall, sondern – etwa für bestimmte Schulen oder Schulbezirke – länger unterbunden werden, müsse dort „aufgrund substanzieller Konfliktlagen über das richtige religiöse Verhalten bereichsspezifisch die Schwelle zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität in einer beachtlichen Zahl von Fällen“ erreicht werden. Zumal die Quereinsteigerin sich für ganz unterschiedliche Schulen beworben habe. Die Schulverwaltung argumentiert in der Revision hingegen, angesichts der Vielzahl von Nationen und Religionen in der Stadt sei eine strikte Neutralität im Unterricht aus präventiven Gründen erforderlich, und verweist auf einen Appell der Berliner Schulleiter sowie der Gewerkschaft zugunsten des Gesetzes. Vertreten lässt sich der Stadtstaat von der Rechtsanwältin Seyran Ates, bundesweit bekannt als Gründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin-Moabit.

Mehrstufiges Auswahlverfahren. Am selben Tag befasst sich der Achte Senat in Erfurt mit einem Schwerbehinderten, der sich gegen das Land Nordrhein-Westfalen wendet. Bei dessen Bau- und Liegenschaftsbetrieb hatte er sich auf eine Stelle beworben, die als „Fachbereichsleitung Marketing und Kommunikation in der Zentrale“ ausgeschrieben war. Zusammen mit fünf weiteren Kandidaten wurde er als einziger Mann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, an dem aber die Schwerbehindertenvertretung nicht teilnahm. In dem Schreiben hieß es: Wenn er im Auswahlgespräch überzeuge, werde er zu einer „Potenzialanalyse“ eingeladen. Wie drei Konkurrentinnen erhielt er nach der ersten Runde eine Absage, konnte aber nach zwei von ihm angestrengten Verfügungsverfahren erreichen, dass er doch am Assessment-Center teilnehmen konnte. Als er auch dort durchfiel, setzte er immerhin eine Wiederholung des Auswahlverfahrens durch, scheiterte jedoch erneut. Nun fordert der Mann eine Entschädigung in Höhe von sechs Monatsgehältern. Das ArbG und das LAG Düsseldorf wiesen die Klage ab, weil bei einem mehrstufigen Auswahlverfahren die Nichteinladung zu weiteren Durchgängen nicht auf eine Diskriminierung hindeute. Gekämpft wurde mit allen Bandagen: Der Kläger warf dem Land vor, dessen Vortrag, die ausgeschriebene Position erfordere ausgesprochenes „Fingerspitzengefühl“,zeige im Hinblick auf seine Sensibilitätsstörungen in Händen und Fingern einen erheblichen Zynismus. In einem anderen Verfahren gegen das Land wiesen die Landesarbeitsrichter ihn wegen versuchten Prozessbetrugs ab.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.