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picture alliance/dpa/dpa/Pool | Christian Charisius

Der BGH verkündet sein Urteil über eine inzwischen 99 alte Frau, die als Schreibkraft für den Kommandanten des KZ Stutthof gearbeitet hatte. Die Bundesanwaltschaft hatte ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung beantragt, weil sie Grundsätzliches klären lassen wollte. Lange hatte sich die deutsche Justiz mit der Aufarbeitung solcher Fälle schwer getan. Und das BAG klärt, ob ein Zuschuss des Arbeitsgebers nach den Vorgaben des BetrAVG durch eine abweichende Regelung ausgeschlossen werden kann, die in einem zuvor vereinbarten Tarifvertrag steht.

13. Aug 2024

KZ-Zivilangestellte. Es könnte der letzte Prozess seiner Art sein: Der BGH will am 20.8. sein Urteil in der Revision im „Stutthof-Prozess“ verkünden. Das LG Itzehoe hatte eine mittlerweile 99  Jahre alte ehemalige Zivilangestellte des Konzentrationslagers Stutthof (insbesondere) wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen zu ­einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zunächst war sie aus ­einem Pflegeheim geflüchtet, um sich dem über ein Jahr lang hinziehenden Prozess zu entziehen. Verhandelt hat der 5. Strafsenat darüber unter Vorsitz von Gabriele ­Cirener am 31.7. (NJW-aktuell H. 31/2024, 6).

Die schleswig-holsteinischen Richter waren Ende 2022 zu dem Ergebnis gekommen, dass die damals 18- bis 19-jährige Irmgard F. durch Aufnahme von Diktaten, das Tippen von Tagesbefehlen in der Kommandantur und den Schriftverkehr für Transporte die Haupttäter bewusst unterstützt habe – nämlich darin, in den Jahren 1943 bis 1945 Gefangene durch Vergasungen, die Schaffung lebensfeindlicher Bedingungen, Verlegungen ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Verschickung auf „Todesmärsche“ zu töten. Ihre Arbeit als Stenotypistin und „rechte Hand“ des Kommandanten sei für die Organisation des KZ in der Nähe von Danzig und die Durchführung der grausamen, systematischen Tötungshandlungen notwendig gewesen. Was nicht oft vorkommt: Nicht nur die Verurteilte selbst, sondern auch die Bundesanwaltschaft hatte eine mündliche Verhandlung am BGH beantragt (wenngleich ohne das Rechtsmittel zu unterstützen, weil sie zumindest von psychischer Beihilfe ausgeht). Denn sie sieht grundsätzliche, bislang nicht entschiedene Fragen zur Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord durch die Arbeit in einem Konzentrationslager aufgeworfen, das kein reines „Vernichtungslager“ gewesen sei. Lange hatten die obersten Strafrichter sich schwer damit getan, „Helfershelfer“ zu belangen. Eine neue Haltung der Justiz deutete sich im Jahr 2011 bei dem in deutsche Kriegsgefangenschaft geratenen Wachmann John Demjanjuk – einem Ukrainer – aus dem KZ Sobibor an, der allerdings die Revisionsentscheidung nicht mehr miterlebte. In letzter Instanz verwirklichte sich die neue Sichtweise dann erstmals beim „Buchhalter von Auschwitz“, gegen den das LG Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen eine Haftstrafe von vier Jahren verhängt hatte. Was der BGH im Jahr 2016 bestätigte (NJW 2017, 498). Auch ein früherer Wächter aus Stutthof, Bruno D., wurde 2020 vom LG Hamburg mit 93  Jahren wegen Beihilfe zum Mord verurteilt.

Irmgard F. war Ende Juli nicht im großen Sitzungssaal des BVerwG erschienen, wo die BGH-Richter wegen des Andrangs tagten (auch in der ersten Instanz hatte sie nur in wenigen Sätzen allgemein ihr Bedauern darüber erklärt, was „alles geschehen“ sei). Hingegen kamen neben einem Bundesanwalt ein gutes Dutzend Nebenklagevertreter für 23 Mandanten. Einige waren während des Itzehoer Prozesses verstorben. ­Verteidiger Wolf Molkentin plädierte auf Freispruch. F. sei nicht mit SS-Wachmännern in den Vernichtungslagern vergleichbar, sagte er laut NDR: Ihre Schreibtätigkeiten seien neutrale Handlungen ohne hinreichende Bezüge zu den Mordtaten gewesen; überdies zweifelte er an einer wissentlichen Mithilfe bei den Gräueltaten. Anders Bundesanwalt Udo Weiß: F. habe eine einzigartige Stellung innegehabt. Sie habe an der Schaltstelle gearbeitet, an der über Leben und Tod entschieden wurde; sie habe von den Morden gewusst und durch ihre Arbeit die Befehle dazu unterstützt. Die Verhandlung wurde gemäß § 169 II GVG (eingeführt vor fünf Jahren durch das „Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG“) für historische Zwecke aufgezeichnet.

Betriebsrente. Kann ein Zuschuss des Arbeitsgebers nach § 1a Ia BetrAVG durch eine abweichende Regelung ausgeschlossen werden, die in einem zuvor vereinbarten Tarifvertrag steht? Das will das BAG am 20.8. klären, worauf es sogar – was es nur in den wenigsten Fällen tut – ausdrücklich mit einem Vorbericht hinweist. Kläger ist ein Holzmechaniker, der für zusätzliche 7,25 Euro mehr pro Monat für seine Altersversorgung kämpft.

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Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.