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Die Ter­mi­ne der 34. Ka­len­der­wo­che
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Ein Ar­beit­neh­mer muss in sei­ner Frei­zeit keine SMS auf sei­nem Handy lesen. Das be­fan­den je­den­falls zwei Lan­des­ar­beits­ge­rich­te. Nun muss das Bun­des­ar­beits­ge­richt klä­ren, ob das auch für die Mit­tei­lung von Schicht­plan­än­de­run­gen gilt. Au­ßer­dem: Der Bun­des­ge­richts­hof prüft die Ver­ur­tei­lun­gen in dem spek­ta­ku­lä­ren "Cy­ber­bun­ker-Fall".

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 17. Aug 2023.

Frei­wil­li­ge SMS-Lek­tü­re. „Es ge­hört zu den vor­nehms­ten Per­sön­lich­keits­rech­ten, dass ein Mensch selbst ent­schei­det, für wen er/sie in sei­ner Frei­zeit er­reich­bar sein will oder nicht.“ So schön hat es einst das LAG Thü­rin­gen for­mu­liert. So pro­sa­isch, dass das LAG Schles­wig-Hol­stein diese Sen­tenz in einem Ur­teil wie­der­holt hat (NZA-RR 2022, 624), über das das BAG am 23.8. ent­schei­den will. Be­grün­det hat es damit – im Ge­gen­satz zum ArbG Elms­horn in der Vor­in­stanz – den Pro­zess­er­folg eines Not­fall­sa­ni­tä­ters, der sich 11,75 Ar­beits­stun­den gut­schrei­ben las­sen woll­te. Deren ­Anerkennung hatte der Ar­beit­ge­ber ver­wei­gert, weil der Mann zwei­mal eine kurz­fris­ti­ge Än­de­rung sei­nes Dienst­plans erst nach dem re­gu­lä­ren Schicht­be­ginn zur Kennt­nis ge­nom­men hatte – zu spät für die an­ge­ord­ne­ten Ver­schie­bun­gen von Ein­satz­ort und Uhr­zeit. ­Telefonisch war der als Sprin­ger ein­ge­setz­te Ret­ter je­weils nicht er­reich­bar ge­we­sen, und auf die dar­auf­hin ver­schick­ten Kurz­nach­rich­ten aufs Handy (SMS) rea­gierte er erst ver­spä­tet. Seine Be­grün­dung: Das Mo­bil­te­le­fon habe er zwi­schen den Dienst­zei­ten laut­los ge­stellt, um sich um die Kin­der küm­mern zu kön­nen.

Doch da spiel­ten die Ober­rich­ter in Kiel nicht mit. Mit einem Aus­flug ins 1. Se­mes­ter des Ju­ra­stu­di­ums er­in­ner­ten sie daran, dass gemäß § 130 BGB eine Wil­lens­er­klä­rung mit ihrem Zu­gang wirk­sam wird – egal ob in Brief­kas­ten, Post­fach, E-Mail-Post­fach oder auf dem An­ruf­be­ant­wor­ter; aber erst dann, wenn die Kennt­nis­nah­me durch den Emp­fän­ger mög­lich und nach der Ver­kehrs­an­schau­ung zu er­war­ten ist. Den Zu­gang der Dienst­plan­än­de­run­gen, mit denen der Ret­tungs­dienst­be­trei­ber sein Di­rek­ti­ons­recht kon­kre­ti­siert habe, habe die­ser aber nicht nach­wei­sen kön­nen. Schlie­ß­lich sei der Le­bens­ret­ter nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, „wäh­rend sei­ner Frei­zeit eine dienst­li­che SMS auf­zu­ru­fen, um sich über seine Ar­beits­zeit zu in­for­mie­ren und damit zu­gleich seine Frei­zeit zu un­ter­bre­chen“. Denn dabei han­de­le es sich um Ar­beits­zeit: „Der Klä­ger er­bringt mit dem Lesen eine Ar­beits­leis­tung.“

Auch sonst fand die Kam­mer ein­drucks­vol­le Worte fürs Poe­sie­al­bum von Werk­tä­ti­gen. In sei­ner Frei­zeit stehe dem Mit­ar­bei­ter ein „Recht auf Un­er­reich­bar­keit“ zu. Frei­zeit zeich­ne sich ge­ra­de da­durch aus, dass Ar­beit­neh­mer nicht zur Ver­fü­gung ste­hen müss­ten. „In die­ser Zeit müs­sen sie ge­ra­de nicht fremd­nüt­zig tätig sein und sind nicht Be­stand­teil einer fremd­be­stimm­ten ar­beits­recht­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­heit und fun­gie­ren nicht als Ar­beits­kraft.“ Dem stehe auch der „zeit­lich mini­male Auf­wand“, der mit dem Auf­ru­fen und Lesen einer SMS ver­bun­den sei, nicht ent­ge­gen: „Ar­beit wird nicht des­we­gen zur Frei­zeit, weil sie nur in zeit­lich ganz ge­ring­fü­gi­gem Um­fang an­fällt.“ Schlie­ß­lich gehe es so­wohl um Ge­sund­heits- wie Per­sön­lich­keits­schutz.

Dro­gen­de­als im Cy­ber­bun­ker. Mit einem der bis­her spek­ta­ku­lärs­ten Fälle il­le­ga­ler Ak­ti­vi­tä­ten im In­ter­net be­fasst sich am 24.8. der BGH. Das LG Trier hat sie­ben Män­ner und eine Frau wegen mit­glied­schaft­li­cher Be­tei­li­gung an einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung (§ 129 StGB) zu Haft­stra­fen von bis zu fünf Jah­ren und neun Mo­naten ver­gat­tert. Auch zog es knapp 750.000 Euro als mut­ma­ß­li­che Ta­ter­trä­ge ein. Das Ok­tett (teil­wei­se ein Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men) soll ein hoch­ge­si­cher­tes ­Rechen- und Da­ten­ver­ar­bei­tungs­zen­trum in einer frü­heren Nato-Bun­ker­an­la­ge nahe der Mosel be­trie­ben haben. Die un­ter­ir­di­sche IT-In­fra­struk­tur soll es gegen Ent­gelt den Be­trei­bern il­le­ga­ler Han­dels­platt­for­men zur Ver­fü­gung ge­stellt haben, dar­un­ter die nicht nur in Dro­gen­han­del ver­wi­ckel­ten Dark­net-Marktplätze „Wall Street Mar­ket“ und „Frauds­ters“. Die tech­ni­sche Aus­stat­tung mit Hun­der­ten von Ser­vern war dem­nach auf eine an­ony­me, vor staat­li­chem Zu­griff ge­schütz­te Nut­zung aus­ge­rich­tet. Vor der Raz­zia hat­ten die Ein­satz­kräf­te die rund um die Uhr em­si­gen An­ge­klag­ten mit einer List in eine Gast­stät­te ge­lockt. Nach der Über­zeu­gung der Straf­kam­mer wuss­ten sie über die kri­mi­nel­len Ak­ti­vi­tä­ten ihrer Kun­den Be­scheid. Sie po­chen in der Re­vi­si­on auf die Haf­tungs­pri­vi­le­gie­rung nach § 10 TMG und der eu­ro­päi­schen E-Commerce-Richt­linie. Die Staats­an­walt­schaft wünscht sich hin­ge­gen eine Ver­ur­tei­lung über­dies wegen Teil­nah­me an den De­lik­ten der Platt­form-Nut­zer selbst.