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Darf ein Betriebsrat für die Belegschaft auf einen Teil des Gehalts verzichten, um den Standort zu retten? Das Bundesarbeitsgericht klärt, ob das nur Tarifvertragsparteien dürfen. Am Bundesfinanzhof geht es um stille Reserven beim Firmenumbau. Und das Bundessozialgericht urteilt über eine teure Reha-Behandlung in den USA.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 12. Aug 2021.

Eifrige Betriebsparteien. Arbeitnehmer haben in Deutschland diverse Mitbestimmungsrechte – teils auf der Ebene der Belegschaft, teils (abgesehen von Haustarifverträgen) auf jener der Branche. § 77 III BetrVG verschafft der zweiten Option den Vorrang: Was durch einen Tarifvertrag geregelt ist oder auch nur werden könnte, gehört prinzipiell nicht in eine Betriebsvereinbarung. Das BAG verhandelt am 17.8. zehn Verfahren, in denen ein Betriebsrat und ein Unternehmen nach Ansicht des LAG Hessen ihre Kompetenzen überschritten haben. So klagt ein Maschinenbediener auf die ­Vergütung zusätzlicher Arbeitsstunden plus Zuschlag sowie von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die beiden letztgenannten Komponenten hatten die Betriebsparteien im Jahr 2003 zugunsten von Prämienzahlungen abgeschafft. Alsbald schlossen sie außerdem eine „Betriebsvereinbarung zur Umsetzung der 40-Stunden­-Woche und zur Einführung von Zeitkonten im gewerblichen Bereich am Standort X“ sowie eine „Rahmen­betriebsvereinbarung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“ dort, der Lohnerhöhungen im Gegenzug zu einer Verlängerung der Arbeitszeit vorsah.

Doch das war den Landesarbeitsrichtern in Frankfurt a.M. zu viel des Eifers: Dabei handele es sich teilweise um unwirksame Betriebsvereinbarungen, denn sie verstießen gegen die Tarifsperre des BetrVG – auch wenn die Rechtsvorgängerin des Arbeitgebers längst aus den Tarifverträgen der hessischen Eisen-, Metall- und Elektroindustrie ausgetreten sei. Ganz sicher waren sie sich dabei aber nicht: Hinsichtlich des Arbeitszeitkontos ließen sie die Revision nach Erfurt zu. Denn dessen Einführung unterliege nach der dortigen Rechtsprechung (NZA 2018, 194) sogar der zwingenden Mitbestimmung (§ 87 I Nr. 2 BetrVG).

Gehobene Schätze. Die Aufdeckung stiller Reserven ist verständlicherweise unbeliebt – wenn Gewerbetreibende oder Freiberufler ihren Laden umstrukturieren, möchten sie ihre Wirtschaftsgüter möglichst übertragen, ohne eine etwaige Wertsteigerung versteuern zu müssen. Am 18.8. hat es der BFH wieder einmal mit zwei solchen Fällen zu tun. Klägerin in einem der beiden Verfahren ist eine GmbH, die einige Vermögenswerte in eine neu gegründete GmbH & Co. KG eingebracht und dafür Gesellschaftsrechte daran erhalten hatte. Alsbald veräußerte sie aber rückwirkend ihre sämtlichen Kommanditanteile an ihren Geschäftsführer, leitende Mitarbeiter und eine Schweizer AG. Nach einer Betriebsprüfung wollte das Finanzamt die Fortführung zum Buchwert nicht mehr akzeptieren, sondern den sogenannten Teilwert ansetzen, der sich am Marktpreis orientiert. Das ließ das FG München nicht gelten. Die Regelung des § 6 V 6 EStG sei hier im Wege einer teleologischen Reduktion nicht heranzuziehen. Sie schreibt ein Verbot der günstigeren Bewertung bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen vor, wenn innerhalb von sieben Jahren anderswo ein Anteil daran begründet oder erhöht wird. Doch fanden die Richter, „dass eine allein am Wortlaut orientierte Lösung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt“. Der vom Gesetzgeber befürchtete Missbrauch sei nämlich ausgeschlossen, weil die Schweizer AG die Kommanditanteile zu einem fremdüblichen Entgelt erworben und damit die stillen Reserven realisiert habe.

Neuartige Behandlung. Die Ausgaben von über 100.000 Euro für ihre Teilnahme an einem „Project Walk“-Training in den USA möchte eine Frau, die seit einem Reitunfall als Fünfzehnjährige querschnittgelähmt ist, von ihrer Krankenkasse erstreiten. Das LSG Bayern hat das abgelehnt, weil diese Rehabilitationsmaßnahme bisher nicht dem allgemeinen Stand der Wissenschaft entspreche. Zudem gebe es in Deutschland mit 26 Querschnittzentren kein Versorgungsdefizit bei physiotherapeutischen Angeboten. Das BSG will demgegenüber am 16.8. klären, ob eine grundrechtsorientierte Auslegung des SGB V auch dann einen Leistungsanspruch verschafft, wenn eine Körperfunktion zwar bereits ausgefallen ist, durch die fragliche Behandlung aber wieder hergestellt oder der bestehende Zustand gebessert werden soll.