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Die Termine der 33. Kalenderwoche
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Prozesskosten in der Steuererklärung haben eine wechselvolle Geschichte: Mal hat der Bundesfinanzhof deren Absetzung erleichtert, dann – noch vor einer Gegenreaktion des Gesetzgebers – wieder erschwert. Gleich in zwei Fällen kümmern sich nun die obersten Steuerrichter um Aufwendungen für Klagen rund ums Kindeswohl. Am Bundesverwaltungsgericht geht es um eine Spätaussiedlerin. Die 33. Kalenderwoche aus Juristensicht.

6. Aug 2020

Kampf um Unterhalt. Gleich in zwei Verfahren geht es am 13.8. vor dem BFH um das Kindeswohl. Im ersten möchte eine Mutter die Kosten von Rechtsstreitigkeiten von der Einkommensteuer absetzen, die sie um das Umgangsrecht und den Kindesunterhalt geführt hat. Ihr Argument: Sie sei „armutsgefährdet“. Weshalb sie gleich auch noch ihre Ausgaben für einen in zwei Instanzen vergeblichen Prozess um einen angeblichen Behandlungsfehler ihres Zahnarztes beim Fiskus geltend macht. Pech hatte sie überdies mit dem Vater ihrer Tochter, mit dem sie nicht verheiratet ist und der sich zunächst auch nicht um das Mädchen kümmerte. Doch dann wünschte er sich regelmäßige Treffen, was ein Gutachter freilich unzuträglich für das Kindeswohl fand. Der angerufene Familienrichter brummte ihr dennoch die Hälfte der Verfahrenskosten auf. Über die Höhe der Unterhaltszahlungen an sie gab es ebenfalls einen Gerichtsprozess, der zu einer Erhöhung von 336 Euro auf 491 Euro im Monat führte. Der Fiskus zeigte sich jedoch hartleibig und wollte lediglich die Aufwendungen für den Zahnarztprozess berücksichtigen – und auch das erst nach einem Einspruch der Frau. Weitere Querelen betrafen die Zuerkennung eines Behinderten-Pauschbetrags von 310 Euro pro Jahr. Das FG München gab ihr immerhin insoweit recht, als es die Anwalts- und Gerichtsrechnungen für den Unterhaltszwist als außergewöhnliche Belastungen anerkannte. Die obersten Finanzrichter haben in dieser Hinsicht eine etwas wechselhafte Linie vorgelegt, worauf zwischenzeitlich sogar der Gesetzgeber einschritt, um den BFH zu bremsen. Der will nun klären, ob die Verfassung verlangt, dass die Tatbestandsmerkmale der „Existenzgrundlage“ und der „lebensnotwendigen Bedürfnisse“ auch in einem immateriellen Sinn zu deuten sind – etwa zum Schutz des Kindeswohls.

Kampf ums Umgangsrecht. Mehr Erfolg hatte ein Vater vor dem FG Düsseldorf. Seine frühere Ehefrau war nicht einmal ein halbes Jahr nach der Geburt der gemeinsamen Tochter mit dieser nach Südamerika in „Urlaub“ gefahren – und nicht zurückgekehrt. Daraufhin strengte er ein Verfahren nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) an. Seine Kosten für Anwalt (9.219 Euro), Gericht (334 Euro), Übersetzer (179 Euro) und „prozessbedingte Reisekosten“ (10.918 Euro) fanden die rheinischen Richter zwangsläufig (da er sich ihnen nicht habe entziehen können, um seine Tochter nach Deutschland zu holen) und außergewöhnlich (da sie der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen nicht entstünden). Auch deuteten sie die „Existenzgrundlage“ so, dass das Umgangsrecht dazu gehöre: Der Wunsch nach Liebe und Nähe sei ein „elementares menschliches Bedürfnis“. Über den Ausgang des HKÜ-Verfahrens ist nichts bekannt; im Streitjahr 2014, als das Mädchen zwei Jahre alt war, war es offenbar noch nicht abgeschlossen. In Südamerika hingegen drohte dem Mann nach eigenen Angaben die Verhaftung, weil er dort zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt worden sei, den er nicht aufbringen könne.

Späte Übersiedlung. Die wechselnde Gesetzeslage für Spätaussiedler beschäftigt am 13.8. das BVerwG. Klägerin ist eine im Jahr 1950 in Kasachstan geborene Frau, die nach Erhalt eines Aufnahmebescheids im 50. Lebensjahr nach Deutschland zog. Eine Bescheinigung als Spätaussiedlerin (§ 15 BVFG) – Grundlage für die Gewährung zahlreicher Leistungen – lehnte das Bundesverwaltungsamt jedoch im Jahr 2002 ab, was die Billigung der baden-württembergischen Verwaltungsgerichte fand. Ein neuer Anlauf sieben Jahre später scheiterte zunächst am VG Köln: In ihrem ersten Inlandspass von 1966 sei die Klägerin mit russischer Nationalität eingetragen gewesen. Dadurch habe sie ein „Gegenbekenntnis“ abgelegt, von dem sie auch nicht später durch ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgerückt sei; zudem habe sie diesen Eintrag bewusst verschwiegen. Anders jedoch sodann das OVG Münster: Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sei möglich, da die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einreise maßgeblich sei. Und die spreche (im Gegensatz zu mancherlei Gesetzesänderungen vor- und nachher) mit geringeren Anforderungen zu ihren Gunsten.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.