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Hoergeraet
Alexander Raths / Adobe
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Fast vier Millionen Menschen in Deutschland tragen ein Hörgerät. Das Bundessozialgericht entscheidet über die Kosten dafür in einem Streit um den neugefassten Versorgungsvertrag zwischen den Krankenkassen und der Branche der Hör(geräte)akustiker. Vor dem Bundesarbeitsgericht klagt eine Lehrerin, die ihre frühere Tätigkeit in Kitas bei der Höhe ihres Gehalts berücksichtigt sehen möchte. Und der Bundesfinanzhof befasst sich mit der Aufdeckung stiller Reserven bei der „Privatisierungsoffensive“ einer Supermarktkette.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 5. Aug 2021.

Malade Ohren. Brillen gelten als schick, Hörgeräte nicht. Dennoch werden die winzigen und nicht ganz preiswerten Mini-Lautsprecher in einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft notgedrungen immer zahlreicher. Schon jetzt versorgen über 6.800 Hörakustiker-­Betriebe rund 3,7 Millionen Menschen in Deutschland damit, wie die Bundesinnung der Hörakustiker (Biha), eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, berichtet. Ende 2013 hat sie auf Basis von § 127 SGB V einen neuen Versorgungsvertrag mit den meisten gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossen. Kurz darauf kam es zu einem Rechtsstreit, den das BSG am 12.8. entscheiden will.

Eine Patientin (Jahrgang 1924) hatte von ihrem Hals-Nasen-Ohren-Arzt eine Verordnung über eine beiderseitige Hörhilfe erhalten. Ein Hörgeräteakustiker, wie dies noch vor der Umbenennung der Branche in den kürzeren Begriff hieß, passte ihr das Fabrikat an und gab es ihr mit nach Hause. Die Krankenkasse beglich seine Rechnung über 1.614 Euro zunächst auch, kündigte aber alsbald an, den Betrag mit der nächsten Forderung des Handwerksbetriebs zu verrechnen. Denn nach dem sogenannten Biha-Vertrag „zur Komplett­versorgung mit Hörsystemen“ hätte er vor Beginn des Anpassungsprozesses bei einer nicht berufstätigen Kundin eine Versorgungsanzeige erstellen und ihr übersenden müssen; eine Heilung dieses Vertragsverstoßes sei nicht vorgesehen. Der Audiologe konterte vor dem SG Düsseldorf, seine Mitteilung müsse der Beklagten rechtzeitig zugegangen sein: Dort sei offenbar versäumt worden, sie ordnungsgemäß zu erfassen. Insoweit gelte der Beweis des ersten Anscheins, denn nach allgemeiner Lebenserfahrung gingen postalische Schreiben regelmäßig und typischerweise beim Empfänger ein. Die Nutzung eines elektronischen Meldesystems war damals noch nicht vorgeschrieben. Die Richter urteilten ebenso wie anschließend das LSG Nordrhein-Westfalen zugunsten des Hilfsmittelerbringers: Ein Zugang des Briefs sei zwar auch nach den Regeln des Anscheinsbeweises nicht belegt. Doch der rechtzeitige Zugang einer Versorgungsanzeige sei keine konstitutive Voraussetzung für das Entstehen des Vergütungsanspruchs. Bei einer unstreitig dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügenden Versorgung wäre ein so begründeter Wegfall „in grobem Maße unbillig und unverhältnismäßig“.

Einschlägige Berufserfahrung. Mit dem Gehalt einer Lehrerin befasst sich am 12.8. das BAG. Die Kardinalfrage lautet: Muss ihre frühere Tätigkeit als Erzieherin in Kindergärten und Kitas bei der Eingruppierung berücksichtigt werden? Baden-Württemberg berief sich darauf, nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sei dies keine einschlägige Berufserfahrung für eine Fachlehrerin. Weder das ArbG Freiburg noch das LAG im Ländle stellte sich auf die Seite der Klägerin, die an einer Förderschule mit sonderpädagogischer Ausrichtung unterrichtet. Zwar könne ein Arbeitgeber bei Neueinstellungen auch andere Tätigkeiten anrechnen, wenn diese für den neuen Job förderlich seien und das der Deckung des Personalbedarfs diene. Aber die Regelung solle ihm bei Verhandlungen mit Bewerbern lediglich einen größeren Spielraum gewähren, verschaffe Beschäftigten bei vorbehaltloser Unterzeichnung des Arbeitsvertrags jedoch keinen Anspruch auf eine höhere Stufenzuordnung.

Karten auf den Tisch. Wann führt die Aufspaltung ­einer GmbH zur Aufdeckung stiller Reserven? Das will der BFH am 11.8. im Fall eines Lebensmittelkonzerns klären, der seine Filialen im Zuge einer „Privatisierungsoffensive“ selbstständigen Einzelhändlern übertragen hat. Nach einer Außenprüfung lehnte dessen ­Finanzamt eine Fortführung der Nachfolgefirmen zum Buchwert hinsichtlich der Gewerbesteuer ab. Das FG Berlin-Brandenburg befand hingegen, die Aufspaltung einer Organgesellschaft nach Maßgabe von § 123 UmwG sei nicht mit einer Liquidation vergleichbar. Auch sei die Missbrauchsgrenze von 20 % für einen Verkauf innerhalb der ersten fünf Jahre nicht überschritten (§ 15 II 4 UmwStG).