Agenda
Die Termine der 32. Kalenderwoche
Agenda
Lorem Ipsum
dzm1try/Adobe

Wenn sich Freiberufler in einer Gesellschaft mit mehreren Ebenen organisieren, verheddern sie sich womöglich im Gestrüpp des Steuerrechts. Der Bundesfinanzhof muss nun klären: Wann können diese auf allen Etagen ihre Einkünfte als solche aus selbstständiger Arbeit deklarieren? Denn sonst droht eine Besteuerung wie bei einem Gewerbebetrieb. Das – und nicht viel mehr – beschert Rechtskundigen im Hochsommer die 32. Kalenderwoche.

30. Jul 2020

Die Kultusminister der Bundesländer haben zwar die Sommerferien entzerrt, ihre Kollegen aus dem Justizressort aber (natürlich) nicht die Pause unserer obersten Bundesgerichte. Gähnende Leere herrscht daher bei deren Vorankündigungen. Und der EuGH will überhaupt erst am 31.8. wieder eine Sitzung abhalten. Was uns Zeit und Raum gibt, etwas tiefer in die Besteuerung von Freiberuflern einzusteigen, die sich in mehrstöckigen Personengesellschaften betätigen. Die große Frage: Wann können diese sich auf allen Etagen auf Einkünfte aus selbstständiger Arbeit berufen – und wann handelt es sich stattdessen um solche aus einem Gewerbebetrieb?

Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer

Damit will sich der BFH am 4.8. befassen. Geklagt hat eine Steuerberatungsgesellschaft mit vielfältigen Aktivitäten, in der sich Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte tummeln. Organisiert als KG, hatte sie als Komplementär einen Anwalt, der zugleich als Steuerberater bestellt war – ohne Stimmrechte, Gewinn- oder Kapitalbeteiligung. Kommanditistin war eine andere Steuerberatungsgesellschaft, die Holding-KG. Diese hatte mehrere natürliche Personen als Vollhafter, ferner – ohne Beteiligung – die E-OHG mit 51% und als alleinige Kommanditistin die G+H-KG mit 49%. Nach ihrem Gesellschaftsvertrag waren jeweils fünf der Berufsträger, die als Komplementäre agierten, für drei Jahre mit Geschäftsführung und Vertretung der Holding-KG betraut.

Ein munteres Firmengeflecht

Das war aber nur das „Kleine 1x1“ des Gesellschaftsrechts – das muntere Firmengeflecht, das nun folgt, ist etwas für Feinschmecker. Denn die G+H-KG und die E-OHG waren als oberste Gesellschaftsebene des J-Konzerns über die Holding-KG (neben der Klage-KG) mittelbar an zahlreichen weiteren Personen- und Kapitalgesellschaften beteiligt. Beruflich taten sie alle dasselbe. Gesellschafter der E-OHG waren ausschließlich Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer. Nach ihrem Gesellschaftsvertrag konnte ausgeschlossen werden, wer nicht mehr für die Gesellschaft oder wenigstens ein Konzernunternehmen tätig war. Gesellschafter der G+H-KG durften nur Berufsträger werden, die für die Holding-KG oder eine J-Konzerngesellschaft auf Basis eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses tätig waren. Wer nicht mehr für ein J-Konzernunternehmen tätig war oder bestimmte andere Voraussetzungen nicht mehr erfüllte, konnte ebenfalls vor die Tür gesetzt werden.

Auf allen Ebenen

Die an der Holding-KG mittelbar beteiligten Obergesellschafter waren allesamt aktiv in die Mandatsbearbeitung eingebunden. Zugleich waren sie in jenen Beteiligungsgesellschaften (Untergesellschaften) maßgeblich tätig, in denen sie als Komplementär beteiligt bzw. als Geschäftsführer eingesetzt waren; in den anderen hatten sie dagegen nicht viel zu melden. Allerdings gab es überregionale Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Branchenschwerpunkten, in deren Rahmen einzelne Obergesellschafter als Spezialisten auch bei anderen Untergesellschaften via Telefon oder Mail mithalfen. Auf Gesellschafterversammlungen entschieden die Obergesellschafter bei der G+H-KG und der E-OHG etwa über Investitionen und Geschäftsstrategie des J-Konzerns; ebenso über wesentliche Maßnahmen in den Untergesellschaften wie Praxiseinkäufe und die Bestellung weiterer Komplementäre.

Freundliche Vorinstanz

Das Finanzamt kam im Streitfall, der aufs längst verstrichene Jahr 2008 datiert, nach einer Außenprüfung zu dem Schluss, dass die Einkünfte der Klage-KG nicht als freiberuflich durchgehen könnten. Bei einer doppel- oder mehrstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft müssten nämlich auch sämtliche Unter- und Obergesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Damit konnten die Steuereintreiber beim FG Schleswig-Holstein punkten. Die Kieler Richter urteilten: Eine freiberufliche Tätigkeit einer Untergesellschaft werde nicht bereits dadurch begründet, dass jeder Obergesellschafter zumindest in einer anderen Untergesellschaft als Freiberufler leitend und eigenverantwortlich tätig sei. Vielmehr müsse das in den einzelnen Untergesellschaften jeweils gesondert geprüft werden.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.