Urnengang. Gerade noch rechtzeitig zum Beginn des Wahlkampfs, mit dem nach der Sommerpause des Bundestags zu rechnen ist, verkündet das BVerfG am 30.7. sein Urteil zur jüngsten Änderung des Wahlrechts. Verhandelt hat der Zweite Senat darüber im April, und die Richter und Richterinnen klangen teilweise ziemlich skeptisch (NJW-aktuell H. 17/2024, 6). Gegen heftige Proteste insbesondere der CDU/CSU, der bayerischen Landesregierung, der damaligen Linksfraktion und zahlreicher Privatleute hatte die Ampelkoalition im Juni vergangenen Jahres das Bundeswahlgesetz in wichtigen Punkten geändert: Nicht mehr jeder Direktkandidat, der in seinem Wahlkreis die Mehrheit errungen hat, kann ins Parlament einziehen, wenn seine Partei zu wenig Zweitstimmen erhalten hat. Überhang- und Ausgleichsmandate wurden gestrichen, ebenso die Grundmandatsklausel; diese garantiert bislang Parteien Sitze auch bei Unterschreiten der Fünf-Prozent-Hürde, sofern sie mindestens drei Direktmandate ergattern. So sollte das stetige Wachstum der Volksvertretung wenigstens etwas rückgängig gemacht werden. Die (mittlerweile zerbrochene) Linksfraktion verdankt ihren Einzug in die Volksvertretung bei 4,9 % der Zweitstimmen nur besagter Grundmandatsklausel, weil sie genau drei Direktbewerber durchbrachte. Und sollte die CSU bei der nächsten Abstimmung im Herbst 2025 unter die 5 %-Zugangssperre rutschen, könnten ihr als eigenständiger Partei noch so viele im Wahlkreis siegreiche Mitglieder nicht zum Wiedereinzug verhelfen.
Arbeits- oder Einsatzort? Manche Feiertage gelten bekanntlich nur in einzelnen Bundesländern. Das BAG entscheidet am 1.8. über die Forderung einer technischen Fachkraft aus einer Klinik in Nordrhein-Westphalen nach einem tariflichen Feiertagszuschlag. Der Mann nahm vom 1.11. bis 5.12.2021 an einem Lehrgang in Hessen teil. Dort sollte er lernen, bestimmte Geräte zu prüfen und zu reparieren. Der Gedenktag Allerheiligen am 1.11. eines jeden Jahres ist am Sitz seines Arbeitgebers ein gesetzlicher Feiertag, nicht jedoch im süd-östlichen Nachbarland. Die Anfahrt am Feiertag behandelte das Krankenhaus als Dienstreise und schrieb dem Kläger zehn Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gut. Ein Zuschlag nach dem TV-L stehe ihm mangels tatsächlicher Erbringung von Arbeitsleistung an seinem Dienstsitz jedoch nicht zu. Darauf komme es nicht an, konterte der Kläger: Die Erschwernisse, die der Tarifvertrag abgelten wolle, resultierten daraus, dass man bei Arbeitspflicht an einem Feiertag keinen Freizeitgestaltungen nachgehen könne, die einem besonders wichtig seien. Das sah das ArbG Münster genauso – das LAG Hamm hingegen fand: Maßgeblich sei der gewöhnliche Arbeitsort.
Zivile KZ-Angestellte. Der 5. BGH-Strafsenat erörtert am 31.7. in Leipzig, ob die Verurteilung einer 98 Jahre alten ehemaligen Zivilangestellten im Konzentrationslager Stutthof durch das Landgericht Itzehoe insbesondere wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen zu einer – zur Bewährung ausgesetzten – Jugendstrafe von zwei Jahren rechtmäßig war. Der Generalbundesanwalt will grundsätzlich klären lassen, ob das auch auf die Dienstverrichtung in einem KZ passe, das nicht zugleich ein reines „Vernichtungslager“ gewesen sei. Der Richterspruch soll im August folgen.
Diverses. Der EuGH ist eigentlich in Sommerpause, verkündet aber am 29.7. etliche Urteile. So hat ihn das AG Nürnberg gefragt, ob es nach der Brüssel-Ia-Verordnung für die Klage eines Verbrauchers zuständig ist, der bei der FTI Touristik in München eine Auslandsreise gebucht hat. Das BVerwG entscheidet am selben Tag über Visa zum Familiennachzug, die Verwendung der Begriffe „Weingut“ und „Gutsabfüllung“ sowie eine „sektorale Heilpraktikererlaubnis“ auf dem Gebiet der Podologie. Der BFH berät am 31.7. darüber, ob es eine gemischte Schenkung (und somit steuerpflichtig) ist, wenn Angehörige in den Jahren 2012 bzw. 2014 mündlich einen Darlehensvertrag mit einem Zinssatz in Höhe von 1 % vereinbart haben.
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Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.