Runter von den Listen. Kaum hat das BVerfG das vom EuGH geschaffene „Recht auf Vergessenwerden“ zu einer bloßen „Chance“ darauf eingedampft (Beschl. v. 23.6.2020 – 1 BvR 1240/14, BeckRS 2020, 15143), hat der BGH es mit Klägern zu tun, die in eigenen Angelegenheiten eine Amnesie des öffentlichen Gedächtnisses einfordern – nämlich eine Sperre für die Ergebnislisten der Suchmaschine des Marktführers Google. Einer von ihnen war bis 2012 Geschäftsführer des ASB von Mittelhessen, bundesweit der zweitgrößte Regionalverband dieser Wohlfahrtsorganisation; kurz nach Bekanntwerden eines Defizits von knapp einer Million Euro meldete er sich längerfristig krank. Bei dem Internetkonzern wie auch vor dem LG und OLG Frankfurt a.M. scheiterte er mit dem Wunsch, dass die damaligen Presseartikel bei der Eingabe seines Namens nicht mehr angezeigt werden. Denn auch wenn es hier teilweise um Gesundheitsdaten gehe, überwiege das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information (Art. 17 III a DS-GVO). Schließlich seien erst sechs bis sieben Jahre seit Veröffentlichung der Berichte verstrichen und nicht 16 Jahre wie im Pilotfall „Google Spain“ der Europarichter, bei dem es zudem nicht um einen redaktionellen Beitrag gegangen sei.
Auch die andere Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg mit dem Versuch, eine Auslistung bei den Suchergebnissen zu erreichen. Betrieben wird sie von einem Finanzdienstleister und seiner Lebensgefährtin, die über diverse Firmen Geld von Anlegern einsammelten. Eine US-amerikanische Webseite, die sich nach eigenen Angaben der Betrugsprävention widmet, veröffentlichte 2015 kritische Artikel über deren Tätigkeit. Über das Geschäftsmodell der Seitenbetreiberin wurde in Medien behauptet, es handele sich um Erpressung: Betroffene hätten eine negative Berichterstattung durch Zahlung von „Schutzgeld“ verhindern können. Auch die beiden Deutschen sehen sich als Opfer; sie wollen bei Eingabe ihrer Namen nicht mehr mit kleinen Fotos (Thumbnails) und Links zu Artikeln mit Formulierungen wie „Hintermänner“ oder „Kopf des Systems“ angezeigt werden. LG und OLG Köln lehnten ein De-Listing ab: Da ein Suchmaschinenbetreiber in keinem Rechtsverhältnis zu den Verfassern der Texte stehe, seien ihm Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts nicht möglich. Eine für Google offensichtliche Rechtsverletzung hätten die Kläger nicht dargelegt.
„Stinker“ aus Wolfsburg. Weiter geht es in der Serie von „Diesel-Prozessen“ am BGH. Für den 28.7. haben die Richter abermals einen VW-Fall angesetzt. Ein Privatmann hatte im April 2016 von einem Händler einen gebrauchten Touran Match gekauft und will nun sein Geld zurück. Das LG Trier und das OLG Koblenz lehnten das ab, weil sie fanden, zu diesem Zeitpunkt hätte er aufgrund der umfangreichen Medienberichterstattung eigentlich von der unzulässigen Abschaltvorrichtung für die Abgasreinigung wissen müssen. Zumal auch der Autobauer damals bereits alles getan habe, um einen Erwerb durch Nichtsahnende zu verhindern. Am selben Tag will sich der VI. Zivilsenat mit einem weiteren „Stinker“ aus Wolfsburger Produktion befassen (NJW-aktuell H. 30/2020, 6). Dessen Halter hatte in den Vorinstanzen (LG und OLG Oldenburg) obsiegt.
Letzte Instanz Erfurt. Über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung will das BAG am 28.7. befinden. Der Betriebsrat eines Logistikers und Produktveredelers aus der Elektronikbranche stört sich daran, dass seine Lagerarbeiter nun zum Teil weniger verdienten als zuvor. Sein Hauptargument: Die Regelung hätte gar nicht in Kraft treten können, weil das Unternehmen dafür ein Zustimmungsquorum von 80 Prozent der antwortenden Arbeitnehmer gefordert hatte. Auch zwei bloße Verkündungen folgen in Erfurt: Am selben Tag zu Auskünften, die ein Betriebsrat nach dem EntgTranspG verlangt (NJW-aktuell H. 18/2020, 6). Und am Tag darauf zur „Überwachung“ von Mitarbeitern der Kinokette Cinemaxx durch einen von ihr betriebenen Twitter-Account, auf dem Besucher auch ihr Erlebnis in einem der Lichtspieltheater kommentieren konnten (NJW- aktuell H. 9/2020, 6).