Sommerpause. In dieser Berichterstattungswoche gönnen sich offenbar viele Bundesrichter und -richterinnen eine wohlverdiente Auszeit. Auch Prozessparteien und deren Rechtsvertreter dürften das mitten in der Urlaubssaison zu schätzen wissen. Selbst bei Gerichten, die sämtliche Verhandlungstermine im Internet aufführen und nicht nur ausgewählte, findet sich fast nichts. So wird dies die Hochzeit des BSG. Dort strotzen sogar gleich zwei Senate vor Arbeitseifer und lassen sich weder von drohenden Hitzewellen noch von den Lockungen ferientypischer Reiseziele vom Richter- und Schreibtisch fernhalten. Damit stehen die Urteilsfinder in Kassel dafür, dass die Rechtspflege zumindest im Sozialrecht keinen Stillstand kennt.
Altlast. Kann ein Sozialhilfeträger von den Erben einer Leistungsempfängerin die Rückzahlung eines Kredits verlangen, den er ihr gewährt hatte? Und wenn ja – wann verjährt ein solcher Anspruch? Darüber urteilt am 24.7. der 8. Senat des BSG. Es geht um stattliche 113.703,88 EUR, die die Behörde einer Frau als Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. SGB XII) gezahlt hatte. Da sie ein Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von 100 m² besaß, wurden die Gelder als Darlehen bewilligt (§ 91 SGB XII). Nach ihrem Tod sollte der Nachlasspfleger diesen Betrag – soweit noch verfügbar – erstatten. Was der mit verschiedenen Argumenten ablehnte. Das SG Speyer gab ihm unter anderem wegen Ablaufs der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) statt: Immerhin war die Seniorin bereits im Jahr 2014 verstorben. So auch das LSG Rheinland-Pfalz: Sonstige Verjährungsvorschriften des bürgerlichen und auch solche des öffentlichen Rechts, etwa die vierjährige nach § 45 SGB I, seien weniger sachnah. Ob die Bewilligung durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag geschehen sei, ändere daran nichts.
Freier Mitarbeiter. Die Träger der diversen Sozialversicherungszweige sind darauf erpicht, dass ihnen kein „Scheinselbstständiger“ durch die Lappen geht – ein häufiger Konflikt. Für sie alle sind in der Regel die Krankenkassen die Einzugsstelle. Um sicherzugehen, dass kein Arbeitsverhältnis vorliegt, können Auftraggeber und -nehmer aber auch vorsorglich ein sogenanntes Statusverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragen (§ 7a I 1 SGB IV). Der 12. Senat in Kassel befindet am 22.7. über einen solchen Fall. Geklagt gegen einen solchen Bescheid hat ein Steuerberater: Der Freiberufler findet, ein für ihn in Teilzeit als Lohnbuchhalter tätiger Steuerfachgehilfe sei bei ihm nicht abhängig beschäftigt. Der hat ein Gewerbe für „Buchführungsservice“ angemeldet und ist seitdem selbstständig tätig sowie privat kranken- und rentenversichert. Das SG Gießen und das LSG Hessen gaben ihm im Zuge einer Gesamtwürdigung recht.
Aufenthaltsrecht. Das BVerwG sieht immerhin bei einem Verfahren ein Interesse der Öffentlichkeit: Am 24.7. fällt es sein Urteil über einen türkischen Staatsbürger, der als Kind als Familiennachzügler nach Deutschland eingereist war. Er klagt auf eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis durch das Berliner Landesamt für Einwanderung. Das hatte seinen Antrag abgelehnt, weil er Mitglied einer islamistischen Vereinigung sei und gegen ihn strafrechtlich ermittelt werde. Anlässlich eines Abschiebungsversuchs stellte er einen Asylantrag, der als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. 2022 verurteilte ihn dann das KG wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung. Während des Strafverfahrens hatte sich der Mann von dem 2017 verbotenen und aufgelösten Verein sowie dessen Zielen distanziert, mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert, ein Geständnis abgelegt und bekräftigt, er schäme sich für die Taten. Das OVG Berlin-Brandenburg verpflichtete die Behörde in der Bundeshauptstadt im vergangenen Jahr, die Aufenthaltserlaubnis bis zum Ablauf der Bewährungszeit zu verlängern (§ 35 III 2 und 3 iVm I 2 AufenthG).