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Ein „Vollblutmusiker“ hofft vor dem Bundesgerichtshof auf Entschädigung für ausgefallene Auftritte in der Corona-Pandemie. Eine Anti-Raucher-Initiative klagt dort gegen einen Supermarkt, der angeblich die „Schockfotos“ auf Zigarettenpackungen versteckt. Und am Bundesarbeitsgericht geht es um die Abgeltung von Urlaubsansprüchen.

19. Jul 2023

Musikverbot. Die Zeit der Corona-Pandemie scheint vorbei – doch die Justiz hat noch reichlich an den Folgen der Virenplage zu knapsen. Der BGH befasst sich am 27.7. mit einem Unternehmer aus der Musik- und Filmbranche. Durch die Covid-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg sah er sich im Jahr 2020 um seine Haupteinnahmequelle gebracht: Live-Auftritte fielen zunächst ganz ins Wasser, später wurden sie vom Staat auf einen eher erlauchten Kreis beschränkt; und das mit Einschränkungen, die die Freude an den Gigs spürbar schmälerten. Der „Vollblutmusiker“ (so die Selbstbeschreibung), der unter anderem mit Joe Cocker getourt und Videos für Xavier Naidoo gedreht hat, findet: „Jeder einzelne Künstler erbringt ein Sonderopfer für die Gemeinschaft – und das muss vom Land entschädigt werden.“ LG und OLG Stuttgart wiesen jedoch unisono seine Forderung nach einer Zahlung in vierstelliger Höhe ab. Eine analoge Anwendung der Entschädigungsregelungen in §§ 56 und 65 IfSG sowie nach dem Landespolizeigesetz scheide aus. Auch einen enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriff sahen die Richter nicht, ebenso wenig einen allgemeinen Aufopferungsanspruch: Schließlich habe es sich um „Jedermann-Maßnahmen“ gehandelt.

Nikotinprodukte. Raucher lassen sich nicht gern an die Risiken ihres Lasters erinnern; mancher trägt seine ­angebrochene Packung in einem schmucken Etui bei sich, das die amtlich vorgeschriebenen Warnhinweise verdeckt. Ähnliches mag ein Supermarktbetreiber im Sinn gehabt haben. Die Warenausgabeautomaten an seinen Kassen zeigen an den Auswahltasten zwar Markenlogo, Proportion und Farbgebung in Originalgröße. Doch der drohende Satz „Rauchen ist tödlich“ fehlte darauf ebenso wie die von der EU-Tabakrichtlinie konkret vorgegebenen Gruselfotos etwa von durch Krebs zerstörten Organen. Die als Verbraucherschutzverein anerkannte Initiative Pro Rauchfrei e.V. hält dies für einen Verstoß gegen das sogenannte Verdeckungsverbot (§ 11 I 1 Nr. 4 TabakerzV). Das LG München I und das dortige OLG fanden dagegen, die Kunden bekämen die Schockbilder noch rechtzeitig vor Abschluss des Kaufvertrags zu sehen, wenn sich die Glimmstengel auf dem Förderband befänden. Der BGH richtete daraufhin zunächst etliche Fragen an den EuGH und hakte noch einmal nach. Die sodann vorgenommene Konkretisierung aus Luxemburg, die eher großzügig ausfiel (NJW 2023, 1345), wollen die Karlsruher Rechtsprecher am 27.7. ins Werk setzen.

Gelber Schein. Passend zur Feriensaison müssen sich die höchsten Arbeitsrichter am 25.7. mit vier Klagen auf Abgeltung etwaiger Urlaubsansprüche beschäftigen. Doch ein Blick in die Vorinstanzen zeigt, dass es dabei um mehr geht, als die stichwortartige Ankündigung des BAG erwarten lässt. So geht es um eine Frau, die – so das ArbG Minden – trotz ihrer formalen Stellung als Geschäftsführerin in erheblichem Umfang weisungsgebunden gewesen sei. Ihren diversen finanziellen Begehren hielt das Unternehmen entgegen, sie habe sich „in die Arbeitsunfähigkeit geflohen, um den erteilten Arbeitsanweisungen zu entgehen“. Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komme ein hoher Beweiswert zu, urteilte demgegenüber das LAG Hamm. Wolle ein Arbeitgeber dennoch das Entgelt nicht fortzahlen, müsse er begründete Zweifel darlegen und bei Bestreiten beweisen. Der Vortrag der Klägerin, ihre ­Arbeitssituation habe zur Arbeitsunfähigkeit geführt, bedeute nicht, dass „die Möglichkeit einer psychischen Beeinträchtigung aufgrund einer belastenden Lebens-/Arbeitssituation“ nicht bestanden habe.

Dies & das. Vor dem Start in die Sommerpause will das EuG am 26.7. noch satte 20 Entscheidungen verkünden. Am selben Tag verhandelt der BFH unter anderem über drei Verfahren zur Erbschaft- und zur Schenkungsteuer. Und das BSG blickt an diesem Datum auf Überzahlungen, Erstattungsforderungen, Kindererziehungszeiten sowie auf einen Ghetto-Aufenthalt in Transnistrien.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.