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Die Termine der 3. Kalenderwoche
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Die EU-Institutionen sehen staatlich festgelegte Mindesthonorare für Freiberufler in Deutschland mit Skepsis: Der Europäische Gerichtshof befasst sich nun abermals mit dem Salär von Architekten und Ingenieuren. Vor dem Bundesarbeitsgericht klagt eine angehende Ärztin auf Zahlung eines Mindestlohns für ein Praktikum, das sie vor Aufnahme ihres Studiums absolvieren musste. Und das Bundesverwaltungsgericht muss klären, ob der Stadtrat von München Räume für eine Diskussion über Meinungsfreiheit verweigern durfte – dort sollte es um das von ihm ausgesprochene Saalverbot für Anhänger einer Boykott-Bewegung gegen den Staat Israel gehen.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 6. Jan 2022.

Architektenhonorare. Der Konflikt mit dem Europarecht um Vorgaben für die Bezahlung von Freiberuflern geht in die nächste Runde: Am 18.1. verkündet der EuGH ein Urteil zur Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Dem BGH liegt die Klage eines Baumeisters vor, der die vereinbarte Pauschalvergütung für seine Planungen zu einem Technopark in der Berliner Siemensstadt nachträglich aufstocken will, und zwar deutlich. Die Luxemburger Richter hatten bereits am 4.7.2019 die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze mit Blick auf die EU-Dienstleistungsrichtlinie verworfen. Der VII. Zivilsenat hat jedoch angefragt, ob das auch für Fälle gilt, in denen am Tag jener Verkündung bereits ein Rechtsstreit abhängig war. Die Obergerichte sind sich da uneinig. Das OLG Hamm befand in dem aktuellen Prozess: Der Richterspruch binde nur den betroffenen Mitgliedstaat, der nach eigenem Ermessen Maßnahmen zur Abhilfe ergreifen müsse, aber keine Privatleute. Und eine richtlinienkonforme Auslegung scheide aus, weil sie mit dem erkennbaren Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers unvereinbar sei (NJW-aktuell H. 20/2020).

Der BGH neigt seinem Vorlageschluss zufolge dazu, beides genauso zu sehen. Doch könne bei einer Anwendung der gekippten Honorarregeln ein anderer Verstoß vorliegen – insbesondere gegen die Niederlassungsfreiheit. Generalanwalt Maciej Szpunar befand dazu: Die Dienstleistungsrichtlinie konkretisiere nicht nur die in Art. 49 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit, sondern dehne auch die Grenzen ihrer Anwendung auf rein innerstaatliche Angelegenheiten aus. Überdies verstieße eine weitere Nutzung der HOAI-Vorgaben gegen die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 GRCh und somit gegen die Vertragsfreiheit.

Praktikantenvergütung. Wann muss für eine als Praktikum deklarierte Tätigkeit der Mindestlohn gezahlt werden? Das will das BAG am 19.1. eingrenzen. Rund 10.000 Euro verlangt dort eine Frau, die für ihre Bewerbung für ein Medizinstudium an der Privatuniversität Witten/Herdecke ein sechsmonatiges Pflegepraktikum nachweisen musste. Die betroffene Klinik in Trier, betrieben von einer gemeinnützigen GmbH betrieben, kontert: Die Klägerin habe ihre Verrichtungen stets in Zusammenarbeit mit den Pflegekräften vorgenommen; lediglich zwei- oder dreimal sei es vorgekommen, dass sie eine examinierte Pflegekraft bei der Körperwaschung der Patienten unterstützt habe. Somit habe es sich um ein übliches Orientierungspraktikum ohne besonderen wirtschaftlichen Wert gehandelt. Das ArbG Trier und LAG Rheinland-Pfalz schmetterten die Forderung nach Mindestlohn und Urlaubsabgeltung ab: Die Betätigung sei durch eine hochschulrechtlichen Bestimmung vorgeschrieben gewesen und falle daher nach § 22 I 2 Nr. 1 MiLoG nicht in den Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes.

Saalvergabe. Gegen die Politik des Staates Israel gegenüber Palästinensern richtet sich die Bewegung „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“. Weil der Münchener Stadtrat sie als antisemitisch einstuft, hat er im Jahr 2017 beschlossen, keine Räumlichkeiten für Veranstaltungen bereitzustellen, „welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben“. Das BVerwG urteilt am 20.1. über das Begehren eines pensionierten Physikers, der unter der Überschrift „Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein?“ – vorzugsweise im Stadtmuseum – genau darüber eine Podiumsdiskussion veranstalten wollte. Die Landeshauptstadt lehnte das ab, weil sie „antisemitische Tarnveranstaltungen“ verhindern wolle. Das VG München stellte sich auf ihre Seite, der VGH des Freistaats sah dies anders: Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit werde verletzt, wenn einem Antragsteller allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen der Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung verwehrt werde. Etwaige antisemitische Äußerungen rechtfertigten einen Ausschluss von der Nutzung erst dann, wenn damit die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährdet wer­­de – und das sei hier nicht ersichtlich.