Zwangsspritzen. Das BVerfG setzt bekanntlich nicht oft eine mündliche Verhandlung an. Dass der Erste Senat dies jetzt für den 16.7. getan hat, ist damit schon ein Signal für sich. Es geht um „ärztliche Zwangsmaßnahmen“ – also um einen der schwersten Grundrechtseingriffe überhaupt und damit um ein grundsätzliches Thema. Der BGH hat die Karlsruher Grundgesetzhüter angerufen, weil er von der Verfassungswidrigkeit einer einschlägigen Bestimmung überzeugt ist. Diese gibt es zwar nicht mehr; es handelte sich um § 1906a I 1 Nr. 7 BGB aF, die zum 1.1.23 durch das „Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts“ außer Kraft getreten ist. Doch sieht die Nachfolgeregelung in § 1832 I 1 Nr. 7 BGB Ähnliches vor.
Die beanstandete Vorschrift klingt zwar recht speziell. Doch der BGH betont, dennoch handele es sich um eine „zahlenmäßig relevante Gruppe“ von Betroffenen. Sie schrieb vor, dass ärztliche Zwangsmaßnahmen gegenüber Betreuten im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus durchgeführt werden müssen, in dem die gebotene medizinische Versorgung einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist. Der Fall betrifft eine Patientin mit einer paranoiden Schizophrenie, weswegen sie für Entscheidungen zur Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung unter Betreuung gestellt wurde. Gegen die Psychose wird ihr regelmäßig ein Neuroleptikum in Depotform gespritzt. Sie ist seit 2008 – mit zwischenzeitlichen Klinikaufenthalten – in einem geschlossenen Wohnverbund untergebracht. Zur Verabreichung des Medikaments wird sie stets in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht, was teilweise nur durch ihre Fixierung möglich war. Der Betreuer hat deshalb eine „stationsäquivalente Behandlung“ in ihrer Wohneinrichtung beantragt, was das AG Lippstadt und das LG Paderborn aufgrund der Gesetzeslage ablehnten. Er befürchtet eine erneute Retraumatisierung, und der BGH hält die Vorschrift für unvereinbar mit der aus Art. 2 II 1 GG folgenden Schutzpflicht des Staates. Der XII. Zivilsenat meint unter Hinweis auf Entscheidungen des BVerfG: „Die staatliche Gemeinschaft darf den hilflosen Menschen – ungeachtet seiner ‚Freiheit zur Krankheit‘ – nicht einfach sich selbst überlassen.“
Richterin in eigener Sache. Die Gleichstellungsbeauftragte eines Jobcenters kämpft am 18.7. vor dem BVerwG auf die Feststellung, dass sie – und nicht ihre Stellvertreterin – bei der Auswahlentscheidung für mehrere Stellen zu beteiligen gewesen wäre. Der Haken: Auf diese Jobs hatte sie sich auch selbst beworben. Die beiden Vorinstanzen in Berlin befanden, dass es ihr für eine Mitwirkung an der gebotenen Unbefangenheit gefehlt hätte.
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