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Die Termine der 24. Kalenderwoche
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Manche Versicherungen – etwa gegen Berufsunfähigkeit – belohnen einen gesunden Lebensstil durch niedrigere Tarife. Ob ein Anbieter dabei zu vage Klauseln verwendet hat, muss der BGH klären. Auch um Rechtsschutzversicherer geht es in Karlsruhe: Wie klar müssen sie die Einschaltung eines Schiedsgutachters bei Konflikten mit dem Kunden regeln? Und das BVerwG entscheidet, ob beispielsweise die Berliner Rechtsanwaltskammer etwaige Ansprüche wegen erhöhter Briefporti durch verspätete Einreichung einer Klage verwirkt hat.

6. Jun 2024

Telematiktarife. Der Mensch freut sich, wenn er gesund bleibt, und seine Krankenkasse, wenn sie Geld für Behandlungen spart. Darauf zielte ein Modell für Berufsunfähigkeitsversicherungen der Generali-Tochter Dialog Versicherung AG; gegen einige dieser Klauseln streitet der Bund der Versicherten (BdV) am 12.6. vor dem BGH. Es geht um einen sogenannten Telematiktarif, bei dem die Höhe der Prämie vom Lebensstil mitbestimmt wird. Im Versicherungsvertragsrecht nennt man das so, wenn ein Element laufender Verhaltens- bzw. Risikoüberwachung – typischerweise durch eine Handy-App – enthalten ist. Das Ergebnis kann unmittelbare oder (wie hier über die Überschussbeteiligung) mittelbare Auswirkungen auf die Höhe der Beiträge ­haben. Die verklagte Assekuranz verlangte für diese Vergünstigung die Teilnahme an einem „Vitality Programm“: etwa sportliches Strampeln im Fitness-Studio, vernünftige Ernährung oder vorsorgliche Check-ups beim Arzt.

Im Prinzip stört sich die Versichertenlobby daran auch nicht, belohnt das System schließlich eine gesunde Lebensführung. Doch beanstandete sie einzelne Punkte im Tarif „SBU-professional vitality“, womit sie beim LG München I und dem dortigen OLG Zustimmung fand. Die Richter erklärten wegen Intransparenz und unangemessener Benachteiligung für unwirksam, dass die Assekuranz Versicherte nicht an ihren eigenen Überschüssen beteiligen wollte, wenn diese das Programm gekündigt oder der Übermittlung der Daten widersprochen hatten. Zu schwammig formuliert war ihnen auch, wann genau die Überschussanteile erhöht oder herabgesetzt werden können.

Rechtsschutzversicherungen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat sich auf einige Klauseln eingeschossen, mit denen Anbieter solcher Policen ein Gutachten eines Schiedsgutachters vorgeschrieben haben, wenn sie eine Klage für aussichtslos oder mutwillig halten (§ 3a ARB 2019). Danach ist der Versicherungsnehmer bei Ablehnung von Rechtsschutz darauf hinzuweisen, „dass er, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monates die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom Versicherer verlangen kann“. Dabei sei er aufzufordern, alle nach seiner Auffassung für die Durchführung dieses Verfahrens wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen innerhalb eines Monats an die Assekuranz zu schicken. Im Gegensatz zum LG Hannover hielt das OLG Celle nur den ersten Punkt für intransparent und somit unzulässig. Denn auch wenn die dortige Regelung wohl als Ausschlussfrist gemeint sei, sei nicht ausgeschlossen, dass Betroffene dies auch anders auffassten. Der BGH will am 12.6. klären, ob sie tatsächlich nach dem Prinzip der „kundenfeindlichsten Auslegung“ (§ 305c II BGB) unwirksam ist.

Verwirkt. Das BVerwG verhandelt am 12.6. zwei Sprungrevisionen der Rechtsanwaltskammer Berlin und der Deutschen Rentenversicherung: Sie greifen die Genehmigung bestimmter Briefporti durch die Bundesnetzagentur im Zuge des Price-Cap-Verfahrens an, das die amtliche Festsetzung von Höchstpreisen bei der Deutschen Post AG vorsieht. Beide Klägerinnen bemängeln die Kappung der Kategorie „Werbeantwort Standardbrief“ auf aus ihrer Sicht überhöhte 0,80 Euro. Der Anwaltsvertretung geht es dabei um die Rückumschläge bei den Kammerwahlen („Porto zahlt Empfänger“). Vor dem VG Köln gingen allerdings beide Prozesse verloren – wegen Verwirkung. Den Richtern zufolge wurde nämlich zu spät der Rechtsweg beschritten. Pikant deren Seitenhieb: „Dass die Klägerin beides [die Entgeltgenehmigung und die Klagemöglichkeit von Endkunden – die Red.] nicht gewusst hat, mag sein (wenngleich dies für den ersten Umstand schon sehr unwahrscheinlich ist). Dies ist jedoch schon deswegen unerheblich, da sie die Selbstverwaltungsorganisation der in Berlin zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist. Eine solche Organisation muss sämtliche rechtlichen Umstände, auf die sie sich einlässt, kennen, zumal die Klägerin regelmäßig ein höheres Portovolumen (…) generiert hat.“

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Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.