Zu weit aus dem Fenster gelehnt? Minister sind als Mitglieder der Regierung und damit Staatsvertreter bis zu einem gewissen Grad zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet – zumeist aber auch selbst Mitglied in einer solchen Vereinigung. Wo die Grenze des Sagbaren liegt, wird am 9.6. abermals das BVerfG verkünden. Die AfD wirft in dem Organstreitverfahren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Äußerungen vor, die er in einem Interview gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) getätigt hatte, das sodann auch auf der Webseite seiner Behörde veröffentlicht wurde. Darin hatte er über die Oppositionspartei geurteilt: „Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten. Das haben Sie am Dienstag im Bundestag miterleben können mit dem Frontalangriff auf den Bundespräsidenten.“ Dieses Verhalten sei „hochgefährlich“ und „staatszersetzend“. Die Vorgeschichte: Ein AfD-Abgeordneter hatte kurz zuvor Frank-Walter Steinmeier im Plenum einer Verletzung der Neutralitätspflicht bezichtigt (NJW-aktuell H. 7/2020, 6).
Seehofers Staatssekretär Günter Krings hielt dagegen: Als Regierungsmitglied unterliege der Ressortchef keiner strengen Pflicht zur Unparteilichkeit, wenn nicht gerade ein Wahlkampf stattfinde – zumal wenn er das Staatsoberhaupt verteidige. Im Übrigen sei die AfD gar nicht in eigenen Rechten verletzt, weil der Innenminister sich vielmehr zu deren Fraktion geäußert habe. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Ersten Senat im Februar titelte tagesschau.de dennoch: „Seehofer muss mit Niederlage rechnen.“ Denn die höchsten Richter hätten schon vor zwei Jahren entschieden, dass die frühere Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt habe, als sie auf der Internetseite ihres Ressorts eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Rote Karte für die AfD“ veröffentlichen ließ.
Kostenlose Salbe. Über Gratisproben von Arzneimitteln will der EuGH am 10.6. auf eine Vorlage des BGH hin befinden. Der Arzneihersteller Ratiopharm hatte sein Schmerzgel Diclofenac nach Beschwerden über Geruch und Konsistenz überarbeitet und in Verpackungen mit dem Aufdruck „zu Demonstrationszwecken“ kostenlos an deutsche Apotheker verteilt. Der Konkurrent Novartis sah durch die Werbeaktion sein eigenes Präparat namens Voltaren benachteiligt und erwirkte vor dem LG und OLG Hamburg ein Verbot: Die Außendienstmitarbeiter hätten vor sieben Jahren gegen § 47 III AMG verstoßen, der keine Abgabe von Mustern eines Fertigarzneimittels an Apotheken gestatte (sondern nur an Heilkundler und deren Ausbildungsstätten), sowie gegen § 7 I HWG, wonach dies eine unzulässige Gewährung von Werbegaben sei.
Die Karlsruher Revisionsrichter argwöhnen jedoch in der konkreten Konstellation einen Verstoß gegen die EU-Grundrechte der Produzenten und Pharmazeuten, weil hier keine Gefahr einer ungeöffneten Weitergabe an Endverbraucher bestanden habe. Vor diesem Hintergrund bitten sie die Luxemburger Kollegen um eine Auslegung der Richtlinie über Humanarzneimittel (2001/83). Generalanwalt Giovanni Pitruzzella kam hingegen in seinen Schlussanträgen zu dem Befund, der Fall sei „völlig klar“ – das Verbot sei in vollem Umfang zum Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt: „Gerade weil es sich eben nicht um gewöhnliche Waren wie Obst und Gemüse handelt, ist es zudem wichtig, Ärzte und Apotheker vor einem zu starken wirtschaftlichen Einfluss zu schützen, der ihre Objektivität gefährden könnte, die von ihnen bei der Erfüllung ihrer Pflichten im Bereich der Behandlung und Beratung verlangt wird.“
Kirchlicher Feiertag. In einigen Bundesländern bleiben am 11.6. die meisten Bürotüren geschlossen: Katholiken feiern Fronleichnam. Dies betrifft Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, das Saarland sowie einige Gemeinden in Sachsen und Thüringen. Der Name bedeutet übrigens „Leib des Herrn“; gefeiert wird das Sakrament der Eucharistie.