Schnippschnapp. Einen Klassiker des Nachbarschaftsstreits will der BGH am 11.6. entscheiden: überhängende Äste und deren Schicksal. Auf dem Grundstück der Kläger steht seit rund 40 Jahren eine Schwarzkiefer, deren Krone seit mindestens 20 Jahren auf das Terrain des Kontrahenten ragt. Der Baum hat eine stattliche Höhe von rund 15 Metern. Doch der Beklagte stört sich an den herabfallenden Nadeln und Zapfen; erfolglos forderte er die Kläger auf, die überhängenden Äste zurückzuschneiden. Daraufhin schritt er kurzerhand zur Selbstvornahme und kappte die Zweige. Das gefährde die Standsicherheit ihrer Pinus nigra, monierten diese und verlangten, dass er seine Schere nicht oberhalb von fünf Metern ansetzen dürfe. Womit sie vor dem AG Pankow/Weißensee wie auch vor dem LG Berlin Unterstützung fanden.
Die Bundesrichter müssen nun erstmals klären, ob das nachbarliche Selbsthilferecht des § 910 BGB gegen „Überhang“ auch dann besteht, wenn der Baum durch die Beseitigung seine Standfestigkeit verliert oder einzugehen droht. Für die Freunde des Sachenrechts beinhaltet der Fall einen zusätzlichen Leckerbissen: Das Berufungsgericht hat seine Abweisung des Unterlassungsbegehrens auch darauf gestützt, besagte Vorschrift erfasse nur unmittelbar von den überhängenden Ästen ausgehende Beeinträchtigungen, nicht aber mittelbare Folgen wie den Abfall von Nadeln und Zapfen. Doch diese enge Sichtweise hat der BGH vor zwei Jahren anlässlich eines anderen Nadelbaums – einer Douglasie aus Krefeld – verworfen; die Vorderrichter hatten den Maßstab des § 906 BGB (Zuführung unwägbarer Stoffe) angelegt. In der mündlichen Verhandlung im März hat die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann darauf hingewiesen, beim Selbsthilferecht gebe es keine Verjährung. Doch denke ihr V. Zivilsenat über einen Mittelweg nach, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Nach dem Motto: „Rückschnitt ja – jedoch nur so weit, wie der Baum es verträgt.“
Personenbeförderung. Vor dem BVerwG kämpft am 9.6. ein Geschäftsmann gegen den Widerruf seiner beiden Taxikonzessionen. Das AG Köln hatte ihn wegen Steuerhinterziehung (unter dem Vorbehalt einer Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 Euro) verwarnt. Denn nach Ansicht der Steuerfahnder hatte er eine fiktive Lohnbuchhaltung erstellt, um insbesondere Umsatzsteuer zu hinterziehen. Daraufhin widerrief die Behörde die Genehmigungen wegen Unzuverlässigkeit. Der Unternehmer kontert, er habe derweil das Kassenbuchverfahren umgestellt, und bot den Einbau eines Fiskaltaxameters an.
Anwaltstreffen. Zum zweiten Mal muss der Deutsche Anwaltstag sich auf eine virtuelle Zusammenkunft beschränken. Für die Online-Seminare und Live-Streams vom 7. bis 11.6. hat sich der Veranstalter das Motto gegeben: „Die Anwaltschaft in besonderer Verantwortung – 150 Jahre Deutscher Anwaltverein“. Die erste der beiden Jubiläumsveranstaltungen hat den Titel: „Opfer, Mitläufer, Täter? – Die Rolle von DAV-Anwälten im Nationalsozialismus und bei dessen rechtsstaatlicher Aufarbeitung bis heute“. Ergründet werden soll, wie sich anti-liberale Positionen in der deutschen Anwaltschaft vor 1933 entwickeln konnten. Wie liefen Gleichschaltung und spätere Auflösung des Vereins ab? Was wurde aus dessen jüdischen Mitgliedern? Und wie ging der DAV später mit der NS-Zeit um? Die zweite Internet-Session zum runden Geburtstag beleuchtet das Thema: „Equal Rights – Frauen in der Anwaltschaft und beim DAV“. 99 Jahre nach der Zulassung von Maria Otto als erste deutsche Anwältin soll diskutiert werden, wie mehr Gleichberechtigung in der Anwaltschaft gelingen kann, welche strukturellen Probleme es gibt und welche Maßnahmen geeignet sind, um die Lebensund Arbeitsbedingungen in der Branche fair zu gestalten. Ansonsten ist das Programm gespickt mit Fachveranstaltungen der Ausschüsse und Arbeitsgemeinschaften, abgerundet von Beiträgen externer Anbieter und – mit Blick auf die Wahlen – einem digitalen Podium mit den rechtspolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Bundestagsfraktionen. •