Flötistin ohne Maske. Wann dürfen Arbeitgeber in der Pandemie ihre Beschäftigten zur Teilnahme an Corona-Tests verpflichten? Das will das BAG am 1.6. im Fall einer Flötistin klären, die an der Bayerischen Staatsoper arbeitet. Deren Hygienekonzept sah vor, dass alle Mitarbeiter in der Spielzeit 2020/21 bei Dienstantritt einen negativen PCR-Test vorliegen mussten – sonst durften sie nicht an Proben oder Aufführungen teilnehmen. Die Abstriche wurden von der Staatsoper organisiert und waren gratis. Alle ein bis drei Wochen wurden die Musiker sodann reihum stichprobenmäßig kontrolliert, was entweder im Haus kostenlos oder extern auf eigene Rechnung durchgeführt werden konnte. Da wollte die Frau nicht mitmachen, weshalb ihr das Gehalt gestrichen wurde. Zwei Monate später ließ sie sich dann doch ein Wattestäbchen in Nase oder Rachen schieben – mit positivem Ergebnis. Sofort nahm der Musentempel seine Zahlungen wieder auf. Doch für die Zeit davor verlangt die Künstlerin ebenfalls Geld: Da es keine Rechtsgrundlage für anlasslose PCR-Tests gebe, habe sich ihr Arbeitgeber in Annahmeverzug befunden. Auch fürchtete sie Nasenbluten und Würgereize sowie ihren wirtschaftlichen „Ruin“, weil sie durch das Verbot von Auftritten und Proben ohne vorherige Testteilnahme an Marktwert verliere.
ArbG und LAG München wiesen ihr Begehren ab. Die erste Instanz stellte dabei auf das Direktionsrecht des freistaatlichen Regiebetriebs (§ 106 GewO) ab, ferner auf dessen Fürsorgepflicht für die knapp 1.000 festen Mitarbeiter – darunter rund 140 Orchestermusiker – beim Gesundheits- und Infektionsschutz (§ 618 BGB iVm § 3 I ArbschG). Der hatte zudem Umbauten vorgenommen, um den Abstand zwischen den Aufführenden zu vergrößern. Die Berufungsrichter sahen das ähnlich, zumal eine Flötistin keine Maske tragen könne und eine Querflöte Tröpfchen sowie Aerosole weiter verteile als andere Blasinstrumente. Überdies sei das Verlangen des Arbeitgebers vom Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) gedeckt– selbst bei Personen ohne Krankheitssymptome.
Gedenkkultur oder Beleidigung? Seit langem umstritten ist die Wittenberger „Judensau“ – ein zutiefst antisemitisches Relief an der evangelischen Stadtkirche St. Marien in jenem Ort, der den offiziellen Beinamen „Lutherstadt“ trägt. Errichtet etwa im Jahr 1290, zeigt es eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch ihre Spitzhüte als Juden dargestellt werden. Eine durch einen Hut als Rabbiner zu identifizierende Figur hebt den Schwanz des Tiers und blickt ihm in den After. 1988 ließ der Gemeindekirchenrat eine Bodenplatte installieren, die die Schmähplastik historisch einordnen soll – allerdings ohne sie ausdrücklich zu erwähnen. Der Stadtrat ließ überdies eine Informationstafel errichten. Die Entfernung des Bildnisses verlangt ein in Bonn lebender Jude, der sich seit 1968 als Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsaktivist betätigt. Hilfsweise will er sich bescheinigen lassen, dass der Tatbestand der Beleidigung erfüllt sei. Das LG Dessau-Roßlau und das OLG Naumburg lehnten beides ab. Das Vorhalten des Reliefs sei nicht strafbar und verletze auch nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Zwar habe es ursprünglich dazu gedient, Juden verächtlich zu machen. Doch inzwischen sei es „Teil eines Ensembles von Exponaten“ mit dem erkennbaren Ziel, es als Teil einer Gedenk- und Erinnerungskultur zu erhalten. Am 30.5. ist der BGH am Zug.
(Un-)Gesicherte Kunstschaffende. Mit Hilfe der Künstlersozialkasse sollen selbstständige Künstler und Publizisten wie Arbeitnehmer den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung genießen. Einschlägige Unternehmen wie Theater oder Verlage müssen pauschale Abgaben entrichten. Das BSG beleuchtet am 1.6. zwei Fragen. Nämlich: Kann sich dort versichern lassen, wer eigenhändig Dekorationsobjekte aus Naturmaterialien herstellt? Und umgekehrt: Muss ein Anwalt für die Beauftragung eines Webdesigners mit der Erstellung einer Kanzlei-Webseite einzahlen, wenn jener innerhalb eines mehrjährigen Erfassungszeitraums lediglich einmal mehr als 450 Euro verdient hat?