Trojaner. Kriminalistisch war es ein spektakulärer Erfolg: Erstmals im Jahr 2017 stellten französische Ermittler fest, dass Drogendealer für ihre Geschäfte besonders verschlüsselte Krypto-Handys der Marke EncroChat nutzten. Mit spezieller Soft- und Hardware ermöglichten diese Mobiltelefone auf einem in Roubaix stationierten Server eine abhörsichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Mit Genehmigung mehrerer Gerichte entwickelte die dortige Polizei gemeinsam mit niederländischen Kriminalisten eine Trojaner-Software, die sie über ein simuliertes Update auf die Geräte der Nutzer in 122 Ländern – darunter 4.600 in Deutschland – aufspielten. Im ersten Halbjahr 2020 konnten sie damit die übermittelten Texte und Bilder, die Gerätenummern und jeweiligen Standorte sowie – falls noch nicht gelöscht – den Handyspeicher auslesen. Bei einer Konferenz der europäischen Justizbehörde Eurojust boten die Fahnder aus den beiden Ländern anderen Staaten den Zugriff auf die Erkenntnisse via Europol an. Auch das BKA und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. griffen zu und leiteten Strafverfahren gegen einige Anwender ein, nachdem französische Ermittlungsrichter ihre Genehmigung erteilt hatten.
Das (nunmehrige) Landgericht Berlin I hat massive Zweifel an der Verwertbarkeit der Ergebnisse und hat die EncroChat-Beweismittel schon einmal verworfen (NStZ 2021, 696). Nun lautet ihr Argument: Die deutschen Staatsanwälte hätten keine Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) verfügen dürfen. Zudem gewährten die deutschen und europäischen Behörden nur begrenzt Akteneinsicht; Paris berief sich sogar auf das Militärgeheimnis. In ihrer Vorlage an den EuGH schreibt es, nur wegen dieser unzureichenden Kenntnisse hätten diverse deutsche OLG eine ohne hiesige Veranlassung erfolgte Übermittlung der abgeschöpften Daten angenommen und zugelassen – ebenso wie der BGH (NJW 2022, 1539). Es geht um einen Angeklagten, der mit rund 188 kg Marihuana und 3,25 kg Kokain gehandelt haben soll. Die Europarichter verhandelten über den Fragenkatalog im vergangenen Juli (NJW-aktuell H. 27/2023, 6). Generalanwältin Tamara Ćapeta hatte da äußerst wenige Bedenken. Ihr Tenor: „Eine Staatsanwaltschaft kann eine EEA zur Übermittlung von Beweismitteln, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurden, erlassen. Dies ist der Fall, wenn nach dem für diese Staatsanwaltschaft geltenden nationalen Recht in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall eine Übermittlung angeordnet werden kann. In einem solchen Fall darf die Behörde, die eine EEA erlässt, die Rechtmäßigkeit der Erhebung dieser Beweismittel im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht prüfen.“ Die Anwaltschaft sieht das naturgemäß deutlich anders: „In der Gesamtschau ist daher von einem Verwertungsverbot für die erlangten EncroChat-Daten auszugehen“, befanden Angelina Gebhard und Reinhart Michalke (NJW 2022, 655). Die Luxemburger Richter sprechen am 30.4. ihr Urteil.
Feiertag. Nur zur Erinnerung: Der 1.5. ist Tag der Arbeit! Wer am Mittwoch dieser Woche dennoch ins Büro marschiert, wird also wenig Mitstreiter (aber umso mehr Ruhe) vorfinden. Im Homeoffice ist dagegen – je nach Familienstand – jeder Tag gleich, sollte sich aber wenigstens ein schlechtes Gewissen regen.
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