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Die Termine der 17. Kalenderwoche
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Harald Landsrath / Adobe

Unter heftigem Widerstand hat die Ampelkoalition das Wahlrecht für den Bundestag reformiert. Die Folgen: Nicht mehr jeder Direktkandidat, der in seinem Wahlkreis die Mehrheit errungen hat, kann mehr ins Parlament einziehen, wenn seine Partei zu wenig Zweitstimmen erhalten hat. Überhang- und Ausgleichsmandate wurden gestrichen, ebenso die sogenannte Grundmandatsklausel. Darüber verhandelt das BVerfG. Und ebenso über die Kosten für Polizeieinsätze bei „Hochrisikospielen“ der Bundesliga.

18. Apr 2024

Wahlrecht. Verhandlungen am BVerfG können erste Hinweise darauf geben, wie das höchste Gericht Monate später entscheiden wird. Aber auch wenn sich die Karlsruher Richter bedeckt halten sollten: In dieser Woche stehen zwei besonders gewichtige Verfahren an. Am 23. und 24.4. erörtert der Zweite Senat eine „Massenklage“ gegen die jüngste Reform des Wahlrechts zum Bundestag, die die Ampelkoalition gegen hefige Proteste der Union im vergangenen Juni durchgezogen hat, um das immer weiter gewachsene Parlament wieder etwas zu schrumpfen. Die stattliche Phalanx der Kläger: Zwei Normenkontrollverfahren kommen von der bayerischen Staatsregierung und von 195 Mitgliedern des Bundestags aus der CDU/CSU-Fraktion, dazu drei Organstreitverfahren der CSU und der Linkspartei sowie der früheren Fraktion Letzterer. Flankiert wird der Vorstoß von zwei Verfassungsbeschwerden von mehr als 4.000 Privatpersonen.

Die Steine des Anstoßes: Einige von ihnen rügen das geänderte Zweitstimmenverfahren. Danach ergattern Wahlkreisbewerber mit den meisten Erststimmen nur noch dann ein Mandat, wenn dies von dem Kontingent gedeckt ist, das sich nach dem Zweitstimmenergebnis ihrer Partei und ihrer Landesliste bemisst. Außerdem wenden sich manche Antragsteller und Beschwerdeführer gegen die Abschaffung der Grundmandatsklausel. Nach dieser zog eine Partei bislang auch ohne Erreichen der 5 %-Sperrklausel ins Parlament ein, wenn mindestens drei ihrer Wahlkreiskandidaten ein Direktmandat errungen haben. Teilweise wird sogar generell eine Neubewertung dieser Prozenthürde verlangt. Rot-Grün-Gelb sollen damit die Wahlrechtsgleichheit (Art. 38 I 1 GG) und die Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 I 1 GG) verletzt haben. Der Hintergrund: Die (mittlerweile zerbrochene) Linksfraktions verdankt ihren jüngsten Einzug in die Volksvertretung bei 4,9 % der Zweitstimmen nur besagter Grundmandatsklausel, weil sie genau drei Direktbewerber durchbrachte. Massive Ängste hat deren Abschaffung auch bei der CSU geweckt: Falls sie bei der nächsten Abstimmung im Herbst 2025 unter die 5 %-Zugangssperre rutschen sollte, könnten ihr noch so viele im Wahlkreis siegreiche Mitglieder nicht zum Wiedereinzug verhelfen.

Gebühren. Für Fußballfans, aber auch für alle Steuerzahler bedeutsam ist, worüber am Tag darauf der Erste Senat verhandelt. Die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH wehrt sich gegen die erstmalige Erhebung einer Gebühr für den Einsatz von Polizeikräften anlässlich eines Spiels der Fußball-Bundesliga, und zwar zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV am 2015 im Bremer Weserstadion. Die Freie Hansestadt hatte im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz eine Rechtsgrundlage geschaffen, um Erstattungen für polizeilichen Mehraufwand bei gewinnorientierten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen zu erheben, die erfahrungsgemäß gewaltgeneigt sind. Seitdem wird eine solche „Veranstaltungsgebühr“ in der Weserstadt für Einsätze der Ordnungshüter auch aus anderen Bundesländern generell bei „Hochrisikospielen“ erhoben. Im Streitfall betrug die Forderung über 400.000 Euro, die das BVerwG im Kern billigte (NJW-aktuell H. 13/2019, 6). Die an noch viel größere Summen gewöhnte Profiorganisation kontert: Verantwortlich für die erforderlichen Schichten der Beamten seien die Störer, nicht aber jene, die das Spiel organisieren. Zudem sei die Gesetzesgrundlage zu unbestimmt. Und vielleicht hätte man ja auch dem SV Werder Bremen die Rechnung schicken können.

Und sonst? Das BVerwG befasst sich am 23.4. mit diversen Klagen gegen die Nord-West-Umfahrung Hamburgs durch einen Neubau der Bundesautobahn A 20. Das BAG hat es am 24.4. mit Nachtarbeitszuschlägen in zwei Branchen zu tun. Und am BSG geht es am 23.4. zweimal um die gesetzliche Rentenversicherung: eines Handwerkers, der als Kommanditist und Betriebsleiter einer GmbH & Co KG daran eine Kapitalbeteiligung von 100 % hält, sowie eines als Leiter eines Nachhilfeinstituts selbstständig tätigen Ein-Mann-Franchise-Nehmers.

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Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.