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Werbung mit dem Etikett "Klimaneutral" ist angesagt. Doch wann ist dies eine als "Greenwashing" bezeichnete Täuschung der Verbraucher? Der BGH entscheidet. Derweil hat das BVerwG mit diversen Klagen von Einzelhändlern gegen staatliche Schutzmaßnahmen des Staates gegen die Corona-Pandemie zu kämpfen.

11. Apr 2024

„Greenwashing“. Ende März sind in der EU neue Vorschriften zum Verbraucherschutz unter anderem gegen „irreführende Grünfärberei“ in Kraft getreten; die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie innerhalb der nächsten beiden Jahre umsetzen. Bis dahin gilt es für deutsche Gerichte noch, den häufigen Streit um das Werbeetikett „klimaneutral“ auf Grundlage des aktuellen UWG zu entscheiden. Am 18.4. steht beim BGH eine Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gegen den Süßwarenhersteller Katjes aus Emmerich am Rhein auf der Tagesordnung. Das Familienunternehmen hatte Leckerlis wie „Grün-Ohr Hasen“ im Fachblatt „Lebensmittelzeitung“ mit der Aussage angepriesen, seit 2021 würden alle seine Erzeugnisse klimaneutral hergestellt. Die Umstellung seines gesamten Produktsortiments auf eine vegetarische Rezeptur habe den Ausstoß von schädlichen CO₂-Emissionen um knapp 20 % gesenkt. Darüber hinaus seien Druckluftsysteme modernisiert, Fenster erneuert, Dampfkessel ausgetauscht und auf LED-Beleuchtung umgestellt worden. Überdies stellte der Fruchtgummi- und La­kritz­mischer ein Logo dazu, das auf seine Zusammenarbeit mit ClimatePartners hinwies – einem Unternehmen, das seinen Kunden helfen will, „ihren Carbon Footprint zu reduzieren“. Etwa durch die Umstellung auf erneuerbare Energien oder die Unterstützung von Klimaschutzprojekten sollen sie unterm Strich weniger Emissionen verantworten.

Die Wettbewerbszentrale aus der Nähe von Frankfurt a. M., die sich als „Selbstkontrollinstitution der Wirtschaft“ versteht und neben rund 1.100 Unternehmen alle möglichen Spitzenorganisationen zu ihren Mitgliedern zählt, hält das freilich für Augenwischerei. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden das so, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe, meinen die Hüter des Lauterkeitsrechts. Das erfülle unter anderem das Tatbestandsmerkmal der Irreführung (§ 5 UWG). Das LG Kleve und das OLG Düsseldorf sahen das ganz anders. Die Leser der Fachzeitung interpretierten den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz – schließlich sei selbst womöglich mitlesenden Endverbrauchern bekannt, dass Neutralität sowohl durch eine Vermeidung als auch durch Ausgleichsmaßnahmen erreicht werden könne. In den Urteilen verwirklichte sich übrigens die eigene Lebenserfahrung der Rechtsprecher: Dass besagte Zeitschrift nicht auf Konsumenten ausgerichtet sei, vermöge die Kammer aus eigener Sachkunde zu beurteilen, „da der ihr angehörende Handelsrichter Dr. … selbst in der ­Lebensmittelbranche tätig ist und die Lebensmittelzeitung kennt“, schlussfolgerte man in Kleve. Und auch unter den Oberrichtern in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt befanden sich offenbar Naschkatzen: „Das Verkehrsverständnis können die Mitglieder des Senats damit selbst beurteilen, weil sie ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (…).“

Corona & kein Ende. Mit Verfahren gegen Covid-Maßnahmen befasst sich am 18.4. das BVerwG. So wenden sich ein Elektronikfachmarkt, Non-Food-Einzelhandelsgeschäfte sowie Möbel- und Einrichtungshäuser gegen Öffnungsverbote der saarländischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie aus Fe­bruar/März 2021. Nur wenige Branchen wie der Lebensmittelhandel und Drogeriemärkte durften Käufer bedienen; wenn der erlaubte Sortimentsteil im gesamten Warenangebot wesentlich überwog, durften diese Betriebe zudem weitere Waren vertreiben, die sie gewöhnlich verkauften („Mischsortimentsklausel“). Das OVG Saarlouis sah darin einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungs­gebot: Es sei nicht zu rechtfertigen, dass die privilegierten Ladengeschäfte auch Waren abgeben durften, die nicht zu den erlaubten Sortimentsteilen gehörten und mit denen die Antragstellerinnen ebenfalls handelten. Einen anderen Punkt betrifft ein weiterer Fall: Elektronikfachmärkte streiten gegen ­Zutrittsbeschränkungen zum Jahreswechsel 2021/22. Einzelhändler durften nur Kunden hineinlassen, die einen Impfschutz gegen ­Covid-19 oder eine Genesung von dieser Erkrankung nachwiesen („2G-Regelung“). Ausgenommen von der Zutrittsbeschränkung waren Ladenlokale zur Deckung des täglichen Bedarfs. Das fanden die saarländischen Oberrichter gleich doppelt rechtswidrig: Sie monierten einen Gleichheitsverstoß gegenüber beispielsweise ­Supermärkten und Discountern, die jedermann bedienen durften. Und die Vorschrift war ihnen überdies zu unbestimmt, was den Kreis der Berechtigten ­betraf.

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Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.