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Die Ter­mi­ne der 10. Ka­len­der­wo­che
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kozirsky / Adobe

Wer beim Glücks­spiel ver­liert, kann ja noch einen letz­ten Ein­satz bei der Jus­tiz plat­zie­ren: Der BGH soll klä­ren, ob ein In­ter­net-Gamer Geld zu­rück­ho­len kann, weil der auf Malta sit­zen­de An­bie­ter an­geb­lich gegen den Glücks­spiel­ver­trag ver­sto­ßen hat. Mit den Fol­gen für Ho­tels, Re­stau­rants und Tou­ris­ten durch die Zwangs­schlie­ßun­gen in der Co­ro­na-Pan­de­mie be­fas­sen sich die obers­ten Zi­vil­rich­ter eben­falls. Und das BSG küm­mert sich um die vor­ge­schrie­be­ne Di­gi­ta­li­sie­rung im Ge­sund­heits­we­sen.

29. Feb 2024

Spie­ler­pech. Das klingt ver­lo­ckend: bei einer Sport­wet­te im In­ter­net ver­lie­ren und dann das Geld zu­rück­for­dern, weil es sich ja um un­er­laub­tes Glücks­spiel han­de­le. Einen sol­chen Fall woll­te der BGH am 7.3. be­ra­ten. Doch am spä­ten Nach­mit­tag des 4.3. teil­te er mit: "Nach­dem die Par­tei­en über­ein­stim­mend das Ruhen des Ver­fah­rens wegen Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen be­an­tragt haben, ist der Ver­hand­lungs­ter­min auf­ge­ho­ben wor­den."*

Wenn­gleich die Ver­mu­tung na­he­liegt, dass der I. Zi­vil­se­nat an­schlie­ßend erst ein­mal den EuGH be­fragt hätte: In sei­ner An­kün­di­gung für den ak­tu­el­len (und nun zu­min­dest vor­erst gecan­cel­ten) Fall hatte er un­ter­stri­chen, dass die­ser an­ders liege als jener, wegen des­sen er im Ja­nu­ar ein Ver­fah­ren zur Vor­la­ge in Lu­xem­burg aus­ge­setzt hat (Az.: I ZR 53/23 – der Be­schluss ist noch nicht ver­öf­fent­licht). Denn zwar geht es in bei­den Ver­fah­ren um On­line-Wet­ten bei einem An­bie­ter auf Malta, die nach dem (vor knapp drei Jah­ren ge­än­der­ten) Glücks­spiel­staats­ver­trag von 2012 hier­zu­lan­de un­zu­läs­sig waren, in dem In­sel­staat aber eine Li­zenz hat­ten. Doch wäh­rend es da­mals um das To­tal­ver­bot für Po­ker­run­den im Web ging, hatte der jet­zi­ge Ver­an­stal­ter im­mer­hin eine Kon­zes­si­on für Deutsch­land be­an­tragt. Und die hatte ihm das VG Wies­ba­den wegen Eu­ro­pa­rechts­wid­rig­keit der hie­si­gen Re­geln auch zu­ge­spro­chen (BeckRS 2016, 110.788) – wie­wohl sie wegen di­ver­ser Ver­wick­lun­gen nie wirk­sam wurde (Lüder NVwZ 2020, 190, 192).

Das will der glück­lo­se Spie­ler mit den vir­tu­el­len Kar­ten nicht gel­ten las­sen: Er habe nicht ge­wusst, dass es sich bei dem An­ge­bot im Netz um ein ver­bo­te­nes Glücks­spiel ge­han­delt habe und die Wett­ver­trä­ge dem­entspre­chend un­wirk­sam seien. Das AG Geis­lin­gen an der Stei­ge und das LG Ulm ver­wei­ger­ten ihm den­noch die Rück­zah­lung sei­ner ver­lo­re­nen Ein­sät­ze von knapp 4.000 Euro. Dem Mann stehe kein Rück­zah­lungs­an­spruch aus § 812 I 1 Fall 1 BGB zu: Das mal­te­si­sche Un­ter­neh­men habe die Zah­lun­gen nicht ohne Rechts­grund er­langt, weil die Wett­ver­trä­ge wirk­sam ge­we­sen seien. Zwar habe es gegen § 4 I, IV und V GlüStV 2012 ver­sto­ßen. Doch führe das nicht zur Nich­tig­keit gemäß § 134 BGB. Wobei die Vor­in­stan­zen das klei­ne 1 x 1 des BGB-AT durch­ex­er­zie­ren: Der ein­sei­ti­ge Ver­stoß gegen ein Ver­bots­ge­setz führe nur zur Nich­tig­keit, wenn des­sen Zweck nicht an­ders zu er­rei­chen sei und die rechts­ge­schäft­li­che Re­ge­lung nicht hin­ge­nom­men wer­den dürfe. Davon sei aber nicht aus­zu­ge­hen, denn der Pro­zess­geg­ner habe eine Er­laub­nis be­an­tragt und die ­Voraussetzungen dafür er­füllt. Deren Aus­blei­ben war den Rich­tern im Länd­le zu­fol­ge le­dig­lich dar­auf zu­rück­zu­füh­ren, dass die Durch­füh­rung des Kon­zes­si­ons­ver­fah­rens uni­ons­rechts­wid­rig ge­we­sen sei.

Co­ro­na. Au­ßer­dem ste­hen am obers­ten Zi­vil­ge­richt zwei Ver­kün­dun­gen zu Co­ro­na-Pro­zes­sen an, denn Karls­ru­he lei­det an „Long Covid“: Am 6.3. gibt der VIII. Zi­vil­se­nat be­kannt, ob eine ver­hin­der­te Tou­ris­tin von einer Her­ber­ge in Lü­ne­burg das Geld für sich und vier Mit­rei­sen­de zu­rück­be­kommt. Dort hatte sie drei Dop­pel­zim­mer für Mai 2020 ge­bucht; der Tarif war „nicht stor­nier­bar“, doch fiel der Trip der Pan­de­mie zum Opfer: Nie­der­sach­sen hatte sol­che Aus­flü­ge un­ter­sagt. Ver­han­delt wurde be­reits am 7.2. (NJW-ak­tu­ell H. 6/2024, 6). Ob um­ge­kehrt Ho­te­liers und Gas­tro­no­men für sol­che Zwangs­schlie­ßun­gen wirk­lich keine Ent­schä­di­gung vom Staat ver­lan­gen kön­nen, woll­te der III. Zi­vil­se­nat am 1.2. noch ein­mal er­ör­tern (NJW-ak­tu­ell H. 5/2024, 6), muss­te den Ter­min aber auf den 11.4. ver­le­gen. Am 8.3. teilt der V. Zi­vil­se­nat mit, ob eine Woh­nungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft wegen der Vi­ren­pla­ge in al­lei­ni­ger An­we­sen­heit einer Ver­tre­te­rin der Ver­wal­tungs­ge­sell­schaft tagen durf­te. Ver­han­delt wurde schon am 9.2. (NJW-ak­tu­ell H. 6/2024, 6).

Di­gi­ta­li­sier­te Pa­ti­en­ten. Elek­tro­ni­sche Pa­ti­en­ten­ak­te, elek­tro­ni­sches Re­zept, elek­tro­ni­sche Ar­beits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung – diese An­wen­dun­gen sind mitt­ler­wei­le für die meis­ten An­bie­ter im Ge­sund­heits­we­sen (zu­min­dest im Um­gang mit ge­setz­lich Ver­si­cher­ten) vor­ge­schrie­ben. Doch viele Arzt­pra­xen schimp­fen über tech­ni­sche Pro­ble­me mit der er­for­der­li­chen Te­le­ma­tik­in­fra­struk­tur (Rechts­an­wäl­te dürf­ten sich an die Ein­füh­rung des „beA“ er­in­nert füh­len). Das BSG be­fasst sich am 6.3. in zwei Fäl­len mit der Pflicht für Ver­trags­ärz­te, das Sys­tem zu nut­zen, und dem Um­fang der Kos­ten­er­stat­tung.

 

*Trans­pa­renz­hin­weis: Ver­schie­bung des Ter­mins. jja., 4.3.24, 20.10 Uhr

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Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.