Urteilsanalyse
Die Dauer des Termins ist für die Gebührenhöhe maßgeblich
Urteilsanalyse
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Wesentliches Bemessungskriterium für die Terminsgebühr im Strafverfahren ist nach einem Beschluss des AG Saarlouis regelmäßig die Dauer des Termins. Mit einer Terminszeit von lediglich 51 Minuten liegt die Dauer des Termins deutlich unter dem für Verhandlungen vor dem Schöffengericht geltenden Durchschnittswert von drei bis vier Stunden, sodass der Ansatz der Mittelgebühr bei ebenfalls unterdurchschnittlichem Vor- und Nachbereitungsaufwand unbillig ist.

5. Nov 2020

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 22/2020 vom 05.11.2020

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Sachverhalt

Durch rechtskräftiges Urteil vom 16.9.2019 legte das Gericht die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse auf. Mit Antrag vom 28.10.2019 machte der Verteidiger seine Gebühren als Wahlanwalt gem. § 14 RVG gegenüber der Landeskasse geltend. Er brachte dabei bei der Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr jeweils die Mittelgebühr zum Ansatz. Ausweislich des Sitzungsprotokolls belief sich die Terminszeit für die Hauptverhandlung auf lediglich 51 Minuten, zur Hauptverhandlung waren zwei Zeugen geladen.

Entscheidung: Terminszeit von lediglich 51 Minuten sowie Vor- und Nachbereitungsaufwand bei zwei geladenen Zeugen ist unterdurchschnittlich

Bei Rahmengebühren sei es Sache des Rechtsanwaltes, die Gebühren unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG aufgestellten Kriterien zu bestimmen. Gem. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG sei die Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts für die erstattungspflichtige Staatskasse nicht verbindlich, wenn sie unbillig sei. In der Regel würden Abweichungen von bis zu 20 % von der angemessenen Gebühr noch als verbindlich angesehen. Ob eine getroffene Gebührenbestimmung unbillig sei, sei im Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und dem Haftungsrisiko für den Verteidiger, zu prüfen. Der Umfang beschreibe den zeitlichen Aufwand, den der Rechtsanwalt in einer Sache aufbringen müsse. Die Schwierigkeit beschreibe die Intensität der Arbeit, maßgebend sei allein die objektive Schwierigkeit. Hierbei müsse zwischen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten unterschieden werden. Die Bedeutung der Angelegenheit sei aus der Sicht eines Unbeteiligten, nicht oder nicht so hoch verurteilt zu werden, zu betrachten. Dabei sei die Sicht des Angeklagten mit zu berücksichtigen. Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Gebührenfestsetzung unbillig sei, werde nach gefestigter Meinung in Rechtsprechung und Literatur in den Normalfällen, in denen sämtliche nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art seien, von der Mittelgebühr ausgegangen, wobei jedes der Bemessungskriterien Anlass geben könne, vom Mittelwert der Gebühr nach oben oder unten abzuweichen. Hierbei sei die Kompensationstheorie anzuwenden, welche bestimme, dass das geringere Gewicht eines Merkmals das überragende Gewicht eines anderen Merkmals kompensiere. Die Mittelgebühr solle eine Vielzahl von vorkommenden Fällen gebührenrechtlich abdecken.

Würden diese Grundsätze auf hiesigen Fall übertragen, ergebe sich hinsichtlich der in Ansatz gebrachten Mittelgebühren für die Grund- und Verfahrensgebühr keine Bedenken. Bei dem Ansatz der Terminsgebühr für den Termin vom 16.9.2019 liege hingegen eine unbillige Gebührenbestimmung iSd § 14 RVG vor. Wesentliches Bemessungskriterium bei der Terminsgebühr sei regelmäßig die Dauer des Termins. Die mit der Terminsgebühr abgegoltene Vor- und Nachbereitungszeit des konkreten Termins dürfe bei der Bemessung der Terminsgebühr jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Ausweislich des Vermerks in dem Sitzungsprotokoll ergebe sich eine Terminszeit von lediglich 51 Minuten. Damit liege die Dauer des Termins deutlich unter dem für vergleichbare Verhandlungen vor dem Schöffengericht geltenden Durchschnittswert von drei bis vier Stunden. Termine mit einer Dauer von 2 Stunden könnten nur in Einzelfällen gerade noch als durchschnittlich angesehen werden. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung und unter Berücksichtigung des ebenfalls unterdurchschnittlichen Vor- und Nachbereitungsaufwandes bei zwei geladenen Zeugen ergebe sich eine aus Sicht der Landeskasse angemessene Gebühr von 150 EUR. Die von dem Verteidiger in Ansatz gebrachte Terminsgebühr von 275 EUR übersteige die aus hiesiger Sicht angemessene Gebühr jedoch um mehr als 20 %, sodass diese nicht verbindlich sei. Die Terminsgebühr sei daher auf 150 EUR zu reduzieren.

Praxishinweis

Grundsätzlich den Ansatz einer Mittelgebühr rechtfertigend ist eine Hauptverhandlung beim Strafrichter mit einer Dauer von bis zu einer Stunde, beim Schöffengericht bis zu zwei oder drei Stunden, bei der Strafkammer von etwa drei bis vier Stunden, bei der Berufungskammer von etwa zweieinhalb bis drei Stunden und beim Schwurgericht bis fünf Stunden (Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, VV Vorbem. 4 Rn. 34 mwN). Deshalb ist das AG Saarlouis zu Recht davon ausgegangen, dass der Ansatz der Mittelgebühr bei der Terminsgebühr unbillig war. Allerdings war der Ansatz von nur 150 EUR für die Terminsgebühr relativ knapp bemessen. Das LG Heilbronn beispielsweise hat bei einer Terminsdauer ebenfalls von 51 Minuten für ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht immerhin noch 195 EUR zugebilligt (vgl. LG Heilbronn, BeckRS 2016, 110176; siehe auch die ausführlich dargestellte Kasuistik bei Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, VV Vorbem. 4 Rn. 35).

AG Saarlouis, Beschluss vom 09.09.2020 - 6 Ls 35 Js 1187/19 (49/19), BeckRS 2020, 25144