NJW-Editorial
Der moderne Zivilprozess
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Die Digitalisierung der Justiz hat mit der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs und der Einführung der elektronischen Akte deutlich an Fahrt aufgenommen. Auch in meinem Senat arbeiten wir mit der E-Akte, was trotz der anfänglichen Skepsis gut gelingt. Dennoch wird die Justiz auch nach der flächendeckenden Einführung der elektronischen Akte nicht im digitalen Zeitalter angekommen sein. Grund dafür ist, dass sie im Wesentlichen darauf zielt, die vertraute Papierakte digital abzubilden: Die bislang papiergebundene Arbeit findet also digital statt, wobei am richterlichen Arbeitsplatz vor allem die Möglichkeiten der elektronischen Textdurchdringung geschätzt werden.

28. Jan 2021

Die Einführung der elektronischen Akte ist als Weg in die digitale Sackgasse kritisiert worden, vor deren vierspurigem Ausbau gewarnt wird (Greger, NJW 2019, 3429). Auch wenn mein Urteil über die E-Akte deutlich positiver ausfällt, teile ich den Befund, dass mit der elektronischen Aktenführung die digitalen Möglichkeiten für den Zivilprozess bei weitem nicht ausgeschöpft werden. Das liegt natürlich daran, dass die ZPO aus der Papierwelt stammt und in ihr weiterentwickelt wurde. Dem digitalen Fortschritt trägt sie bislang nur unzureichend Rechnung.

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des KG, des BayObLG und des BGH haben deshalb im Jahr 2019 eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen mit dem Auftrag, Vorschläge zur Modernisierung des Zivilprozesses zu erarbeiten. Die jetzt vorgelegten Vorschläge decken inhaltlich ein großes Spektrum ab. Viele von ihnen zielen darauf, die berechtigten Erwartungen der Menschen an eine moderne, bürgerfreundliche Justiz zu erfüllen. Diese Erwartungen sind durch den gesamtgesellschaftlichen Digitalisierungsschub der letzten Jahre geprägt. So ist es beispielsweise für viele von uns selbstverständlich, Bankgeschäfte oder die Steuererklärung online von zu Hause aus zu erledigen. Möglichkeiten einer digitalen Inanspruchnahme des Gerichts bestehen demgegenüber bislang kaum. Abhilfe soll nach den Vorstellungen der Arbeitsgruppe ein bundesweit einheitliches Justizportal schaffen, das einen umfassenden und leichten Zugang zur Justiz eröffnet. Es integriert künftig sämtliche Online-Angebote der Justiz, zu denen auch das neue „beschleunigte Online-Verfahren“ gehören soll. Dieses soll vollständig im Wege der elektronischen Kommunikation geführt werden und zunächst auf massenhaft auftretende Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmen beschränkt sein. Weitere Vorschläge der Arbeitsgruppe befassen sich in diesem Zusammenhang mit einem „Online-Mahnverfahren“ und „virtuellen Rechtsantragsstellen“.

Die Vorschläge der Arbeitsgruppe sind in einem öffentlich zugänglichen Diskussionspapier zusammengefasst. Anfang Februar 2021 sollen sie auf einem virtuellen Zivilrichtertag vorgestellt und erörtert werden. Ich bin zuversichtlich, dass sich daraus wichtige Impulse für die notwendige Reform der ZPO ergeben werden. •

Dr. Werner Richter ist Präsident des OLG Düsseldorf.