NJW-Editorial
Der K(r)ampf um die Schriftform
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Die Schriftform von Gewerberaummietverträgen ist eines der beherrschenden Themen der mietrechtlichen Praxis, da sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auch die ursprünglichen Parteien des Mietvertrags auf Formverstöße berufen und ihn vorzeitig kündigen dürfen. Spätestens seitdem der BGH (NJW 2017, 3772) auch die letzten Reste der weitverbreiteten Schriftformheilungsklauseln "beerdigt" hat, die das Risiko einer vorzeitigen Kündigung zumindest vertraglich abfedern sollten, besteht weitgehend Einigkeit, dass der Gesetzgeber aufgerufen ist, den Missstand zu beheben. Mit einem aktuellen Entwurf des BMJV nimmt die Diskussion nun wieder Fahrt auf.

25. Nov 2021

Im Dezember 2019 legte der Bundesrat einen ersten Entwurf zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses vor (BR-Drs. 469/19), der im Wesentlichen vorsah, das Kündigungsrecht auf den Erwerber zu beschränken. Die Bundesregierung leitete diesen Gesetzentwurf im Februar 2020 mit einer ablehnenden Stellungnahme an den Bundestag weiter (BT-Drs. 19/17034). Am 26.10. 2021 hat nun das BMJV einen eigenen Diskussionsentwurf zur Lösung der Problematik vorgestellt. Dieser sieht einen neuen, dualen Ansatz vor: Für den Abschluss des Mietvertrags soll die derzeit bestehende Regelung in § 550 BGB fortgelten, das heißt Schriftformverstöße bei Abschluss des Mietvertrags berechtigen weiterhin auch die ursprünglichen Vertragsparteien zur Kündigung. Nachträgliche Änderungen hingegen sollen nicht mehr der Schriftform unterliegen; für diese soll nunmehr Textform genügen. Nahezu revolutionär im Vergleich zum bisherigen System soll die Rechtsfolge bei Nichteinhaltung der Textform sein: Solche Formverstöße führen nicht zur Kündbarkeit des Vertrags, sondern zur Nichtigkeit der entsprechenden Änderung.

Das BMJV will damit an dem (kritisierten) Konzept festhalten, durch die Formvorschriften nicht nur den in den Mietvertrag eintretenden Erwerber zu schützen, sondern auch die ursprünglichen Vertragsparteien, denen nunmehr durch das Textformerfordernis die Einhaltung der Form erleichtert werden soll.

Die mit der Schriftform bezweckte Warnfunktion, die derzeit in erster Linie eine Warnung vor dem Formverstoß selbst und nicht vor übereilt vereinbarten Inhalten ist, kann die Textform allerdings kaum erfüllen. Daran die Nichtigkeit mit all ihren Folgeproblemen zu knüpfen, ist höchst problematisch. Umgekehrt darf die Annahme, der Erwerber könne sich auch bei Textform (die Entwurfsbegründung nennt z.B. auch Messengerdienste) zuverlässig über den Inhalt des Mietvertrags unterrichten, getrost als Fiktion bezeichnet werden. Die stimmigere Lösung wäre daher, sich auf den im Entwurf nur noch schwach ausgeprägten Schutz des Erwerbers zu konzentrieren und das Kündigungsrecht auf ihn zu beschränken. Vorschläge hierfür wurden bereits unterbreitet.

Dr. Jochen Neumann, LL.M., ist Richter am LG Aachen und Lehrbeauftragter für Immobilienwirtschaftsrecht an der FH Aachen.