Normalerweise warnen wir unsere Leser ja nicht vor der Lektüre eines NJW-Beitrags. Warum auch? Schließlich ist das nicht nur ein ganz und gar ungefährliches Lesevergnügen, sondern überdies in nahezu allen Fällen auch ein überaus gewinnbringendes. Bei der Entscheidung von dieser Woche scheint uns aber ein deutlicher Warnhinweis angebracht. Die Tierfreunde unter unseren Lesern möchten wir deshalb bitten, jetzt einfach weiterzublättern - und die, die unter einer Zahnarztphobie leiden, auch. Nächste Woche finden Sie an dieser Stelle wieder einen launigen Text, vor dem Sie sich garantiert nicht zu fürchten brauchen.
In dem Fall, den das AG Hannover am 9.7. entschieden hat (565 C 848/18), ging es um zwei Chinchillas mit weitreichenden Zahnproblemen und einer Zahnbehandlung, die kein glückliches Ende nahm. Mit welchen Zahnproblemen sich die beiden Nager aus den Anden herumschlugen, können wir den Entscheidungsgründen nicht entnehmen. Wir wissen nur, dass bei beiden Tierchen eine umfassende Sanierung anstand. Um die erfolgreich durchzuführen, mussten zunächst eine Maulhöhlenanalyse durchgeführt und röntgenologische Befunde erhoben werden. Was schon beim Menschen nicht ohne Scherereien vonstattengeht, ist beim Tier erst recht eine Herausforderung für den behandelnden Arzt. Und auch ein Chinchilla kann ganz schön kratzen und beißen, wenn's ans Eingemachte geht. Da stoßen selbst die gängigen Belohnungssysteme noch schneller an ihre Grenzen als bei einem tobenden Dreijährigen. Deshalb wird ein solcher Eingriff beim Tier unabhängig von der Größe auch unter Vollnarkose durchgeführt - beim Dreijährigen wär’s vielleicht auch nicht verkehrt, aber das gehört jetzt nun wirklich nicht hierher.
Die Chinchillas wurden also vor der Inspektion der Maulhöhle sicherheitshalber per Vollnarkose ins Land der süßen Träume geschickt, und die Ärzte machten sich an die Sanierung der maroden Nagezähnchen. Die gestaltete sich denn auch überaus erfreulich, die Aufwachphase eher nicht. Und auch wenn die Ärzte nichts unversucht ließen, mussten sie am Ende der Besitzerin schonend beibringen, dass beide Nager mit einer perfekt sanierten Kauleiste in die ewigen Jagdgründe eingegangen waren. Man könne nun beide Tierchen von einem Präparator aufbereiten lassen und vielleicht mit leicht gebleckten Zähnen ins Bücherregal oder auf den Kaminsims stellen. Die Tierpflege würde sich dann aufs gelegentliche Abstauben beschränken.
Doch davon wollte die Halterin nichts wissen. Und die Rechnung für die aus ihrer Sicht völlig misslungene Zahnbehandlung bei Esra und Ephrata wollte sie erst recht nicht begleichen. Das sei ja an Zynismus nicht zu überbieten, dass sie für den Pfusch auch noch zahlen solle. Da könnte sich so mancher Banker, der seinen Kunden immer noch griechische Staatsanleihen andreht, eine Scheibe von abschneiden. Das AG Hannover sah das anders. Zum einen konnte es schon keinen Behandlungsfehler erkennen, zum anderen fehlte es am Kausalzusammenhang zwischen der Narkose und dem Tod der Tiere. Vielleicht war für beide ausgerechnet am Tag der OP einfach die Zeit gekommen, leise "Servus" zu sagen und sich zu trollen (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2020, 17851).