Die Vorstellung, der Atomausstieg infolge der Katastrophe von Fukushima sei unumkehrbar, erweist sich als Wunschvorstellung jenseits der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Gerade weil er - unbeschadet seiner grundsätzlichen und gesamtpolitischen Bedeutung - nicht im Grundgesetz verankert wurde, konnte er auch keinen Geltungsvorrang gegenüber dem einfachen Recht entfalten und blieb damit als politisches Streitthema auf der Agenda. Die gegenwärtige Diskussion ist damit das Ergebnis einer bewussten Entscheidung gegen eine demokratiefeindliche Überkonstitutionalisierung einer Sachfrage, die nunmehr in Ansehung veränderter Rahmenbedingungen - zumindest in Teilen - politisch anders bewertet wird. Diese Möglichkeit der Neubewertung gehört aber zum Kernbereich eines demokratischen Gemeinwesens, in dem politische Entscheidungen unter dem Vorbehalt der Revidierbarkeit stehen. Man mag über die Sinnhaftigkeit einer Nutzungsfortsetzung oder sogar einer - befristeten Wiederinbetriebnahme - sowohl unter ökologischen als auch unter ökonomischen Vorzeichen trefflich streiten; für das Verfassungsrecht gilt der Befund, den das BVerfG in seiner Kalkar I-Entscheidung (NJW 1979, 359 Ls. 3) festgehalten hat. Danach kann der Gesetzgeber, der einmal eine bestimmte Entscheidung getroffen hat, deren Grundlage durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird, von Verfassungs wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist. Dabei liegt es in der politischen Verantwortung des Gesetzgebers und der Regierung, die von ihnen für zweckmäßig erachteten Entscheidungen zu treffen.
Dass der Gesetzgeber bei einem möglichen Ausstieg aus dem Ausstieg grundrechtlichen Bindungen unterworfen ist, bedarf keiner Betonung. Er ist gehalten, alle Anstrengungen zu unternehmen, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen und ihnen mit den erforderlichen, verfassungsmäßigen Mitteln zu begegnen. Entscheidend ist in der gegenwärtigen Diskussion weniger das "Wie" der Umsetzung als die prinzipielle verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit eines "Ob" der Fortsetzung einer Energiegewinnung, zu der das Grundgesetz in Art. 87c GG zwar ein Bekenntnis enthält, aber keine Verpflichtung zur Nutzung dieser Energieform ausspricht, vielmehr die grundlegende Entscheidung darüber dem politischen Raum vorbehält, ohne den politischen Willen vorzuformen. Im Ergebnis obliegt daher dem Gesetzgeber die Aufgabe, in den Grenzen der Verfassung die notwendigen Koordinaten für die friedliche Nutzung der Atomenergie zu bestimmen. Dabei hat er zu berücksichtigen, dass seine Lösungen widerspruchsfrei und konsistent sein müssen.
Müssen Betreiber Entschädigungen zurückzahlen?
Ein Aspekt, der in der nunmehr begonnenen Diskussion eine Rolle spielen mag, sind die vom BVerfG den Energieversorgungsunternehmen zuerkannten Entschädigungszahlungen für "frustrierte Aufwendungen", die im Vertrauen auf Fortbestand der 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerung getätigt worden sind. Abgesehen davon, dass es keine Rechtsgrundlage für eine Rückforderung dieser Leistungen geben dürfte, können diese auch nicht unter dem Aspekt einer verbesserten Akzeptanz einer erneuten Wende in der Energiepolitik als "Verhandlungsmasse" in Ansatz gebracht werden. Schon das Argument der Akzeptanzsteigerung als Rechtfertigung für die Auferlegung zusätzlicher Lasten (dazu BVerfG NVwZ 2022, 861 Rn. 100, 102) dürfte in einem an die Verfassung gebundenen Rechtsstaat ein Fremdkörper sein, kommt es doch damit nicht mehr auf eine Entscheidung nach Recht und Gesetz, sondern auf eine an individuellen Befindlichkeiten ausgerichtete persönliche Akzeptanz einer gesetzgeberischen Grundentscheidung an. Dies dürfte den Verfassungsstaat bis an die Grenze zur Willkür belasten. Entscheidend aber dürfte sein, dass jedenfalls für den Fall einer erneuten Rückkehr bzw. Verlängerung der Nutzung der Kernenergie die Forderung nach Entschädigungsleistungen für die im Vertrauen auf den Ausstieg und seine Unumkehrbarkeit getätigten Investitionen sehr schnell erhoben werden dürfte. Insgesamt ist der Gesetzgeber daher nicht gehindert, einen Ausstieg aus dem Ausstieg vorzunehmen; ob dies ein Akt der politischen Klugheit ist, kann die Verfassung indes nicht beantworten.