The competition that kills you might not look like you. Das stammt von Richard Susskind, einem englischen (eigentlich schottischen) Wissenschaftler, der sich seit vielen Jahren mit der Zukunft der Anwaltschaft in der Digitalisierung befasst. Sein letztes Buch „Online Courts and the Future of Justice“, im Winter 2019 pünktlich vor Ausbruch der Pandemie erschienen, befasst sich mit der Notwendigkeit der Digitalisierung der Justiz. Seine Thesen sind immer provozierend, sein bekanntestes Buch trägt den Titel „The End of Lawyers?“.
Susskinds These besagt, dass wesentliche Änderungen im Rechtsmarkt selten durch Marktteilnehmer angestoßen werden, sondern von außen. Mit Änderungen sind keine Verbesserungen unter Beibehaltung des Status quo gemeint, sondern disruptive Erfindungen, nach denen nichts mehr so ist wie vorher. Beispiele aus anderen Industrien sind etwa Amazon, AirBnB oder Spotify, dann versteht man ganz gut, was gemeint ist. In unserem Markt gibt es für einzelne Bereiche disruptive Innovationen, Stichwort Legal-Tech-Inkasso, aber so wie der Einzelhandel, die Beherbergungs- oder die Musikindustrie hat sich der Rechtsmarkt noch nicht verändert.
Man muss auch „von außen“ etwas klarer fassen: So gut wie alle innovativen Legal-Tech-Unternehmen sind von Juristen oder Anwälten gegründet worden. Sie haben vor dem Hintergrund der Regulierung Wege gefunden, um Rechtsdienstleistungen für Verbraucher anders anzubieten als bisher. In diesen Bereichen sind sie tatsächlich disruptiv, denn da, wo sie sich erfolgreich etablieren, wird es für traditionelle Anwälte sehr eng. „Von außen“ meint daher außerhalb des Rahmens des traditionellen anwaltlichen Berufsrechts, juristisch hart am Wind, aber auf dem Boden des RDG. Dieses kann keine Innovation verhindern, es ist wie ein berufsrechtliches Böllerverbot: Es beseitigt nicht die Gründe, wegen derer es befürwortet wird.
Tatsächlich von außen kam Joshua Browder, der Gründer von DoNotPay und nicht einmal 30-jährige Urvater aller Rechtstools für Verbraucher. Er ist Programmierer und kann nicht gut Auto fahren, daher baute er eine App, um sich gegen „Tickets“ zu wehren. Sein Unternehmen und die von ihm entwickelte Software prosperieren so gedeihlich, dass er gerade 1 Mio. US-$ ausgelobt hat für denjenigen, der einen Fall vor dem US Supreme Court ausschließlich so vertritt, wie es ihm die Software via Kopfhörer einflüstert. Verrückt? Verrückt. Aber abwarten.
Inzwischen gibt es ChatGPT, ein maschinelles Lernmodell zur Textgenerierung, das auf natürlicher Sprache basiert. Diese Software kann Dinge, die bisher nicht möglich waren, etwa juristische Fragen beantworten oder Gerichtsurteile zusammenfassen. Sollten Sie mal ausprobieren. ChatGPT produziert auch Unfug, wirkt dabei aber sehr überzeugend. Kennt nicht jeder von uns solche Anwälte? Aber im Ernst, damit müssen wir uns befassen. Demnächst auch hier.
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