Standpunkt
Denn sie wissen nicht, was sie tun
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Foto_Martin_Haeublein_WEB
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Am 26. September findet in Berlin nicht nur die Bundestagswahl statt, sondern es wird zugleich das Landesparlament gewählt und ein Volkentscheid zur Enteignung von Wohnungsunternehmen zur Abstimmung gestellt. Wohnungspolitisch ist das alles von großer Bedeutung.

10. Sep 2021

Das Wohnen ist eine, wenn nicht gar die soziale Frage unserer Zeit. In vielen Städten führt sie zu enormen Spannungen, die den Frieden in der Gesellschaft bedrohen. Vernünftige Konzepte sind gefragt, die „leistbares Wohnen“, wie es in Österreich auf vielen Wahlplakaten heißt, sichern. Was im Land Berlin in dieser Hinsicht geschieht, ist allerdings die blanke Unvernunft. Das gilt insbesondere für die Bestrebungen, Bestände ab 3.000 Wohnungen in öffentliches Eigentum zu überführen. Das möchte die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ erreichen und hat daher durch ein Volksbegehren einen Volksentscheid erwirkt. Sollte sich die überwiegende Zahl der rund 1,6 Mio. Berliner Mieterhaushalte, die deutlich über 80 % der Haushalte ausmachen, dafür aussprechen, wäre der Erfolg des Unterfangens ziemlich sicher. Jedoch ist davon auszugehen, dass viele Mieterinnen und Mieter erkennen, dass eine Enteignung nicht in ihrem Interesse liegt – und deswegen nicht für den Volksentscheid stimmen werden. Denn die Enteignung schafft nicht nur keine neue Wohnung, sondern würde extrem teuer, weil die Unternehmen für die rund 200.000 betroffenen Wohnungen entschädigt werden müssten. Der Senat schätzt, dass das ca. 30 bis 40 Mrd. Euro kosten wird. Die Initiative meint hingegen, man komme mit rund 10 Mrd. Euro aus, die durch Mieteinnahmen zu decken seien. Es ist aber fernliegend anzunehmen, eine Entschädigung von rund 50.000 Euro pro Wohnung würde den Anforderungen des Art. 14 III GG genügen und von den Gerichten als angemessen akzeptiert. Der die Vergemeinschaftung regelnde Art. 15 GG, auf den sich die Initiative stützt, verweist auf Art. 14 GG, der das Eigentum schützt. Wieso sollte Berlin sich auf diesem Wege weit unter Marktpreis Wohnungen zurückholen dürfen, die es vor noch nicht allzu langer Zeit zu Marktbedingungen selbst veräußert hat?

Wer so handelt, gefährdet künftige Investitionen und stellt sich in eine Reihe mit autokratisch regierten Staaten und damit ins Abseits, weil rechtsstaatliche Grundsätze über Bord geworfen werden. Nicht nur deutsche Gerichte würden wohl mit den Enteignungen befasst. Angesichts völkerrechtlicher Verträge zum Schutz von Investitionen hätte man vor allem im Ausland wohl wenig Verständnis dafür, dass zunächst (ausländische) Investoren angelockt wurden und man sie später weit unter Wert enteignet. Wenn also der Berliner VerfGH keine Bedenken sah, dass das Land den Abstimmenden seine Kostenschätzung und die Belastung des Berliner Haushalts mit den Folgekosten offenbart, was die Initiatoren des Volksentscheids durch eine Klage verhindern wollten (s. BerlVerfGH, Beschl. v. 16.8.2021 – VerfGH 96/21, BeckRS 2021, 22265 und BerlVerfGH 96 A/21, BeckRS 2021, 23139), hat er genau richtig entschieden. Die tatsächlichen Kosten dieses Unterfangens sind freilich selbst durch die Schätzung des Senats nur unzureichend erfasst. Auf dem Spiel steht viel mehr.

Enteignungen schaden auch Mietern

Indes sollte nicht nur dies die Abstimmenden von einer Zustimmung abhalten. Die hier aufgezeigten Fragen würden ebenso wie die Verfassungsmäßigkeit der Enteignung die Gerichte beschäftigen, was über viele Jahre zu Rechtsunsicherheit führte. Während dieser „Hängepartie“ dürfte der Senat kaum die Kraft und vor allem das Geld für neue Wohnungen aufbringen. Da auch Investoren nicht mehr investieren würden, unterbliebe gerade das, was die überhöhte Nachfrage allein in den Griff bekommen könnte: Die Schaffung neuen Wohnraums. Man kann nur hoffen, dass möglichst viele Wählerinnen und Mieter diese Zusammenhänge erkennen und sich vielleicht auch noch daran erinnern, wie sich Staatseigentum und der Rückzug privater Investments auf den Wohnungsbestand auswirken. In Berlin konnte man das gut beobachten, und zwar auf beiden Seiten der Mauer.

Wichtig ist der 26.9. aber natürlich auch, weil über die künftige Bundesregierung entschieden wird. Sollten SPD und Grüne in ihr maßgeblichen Einfluss haben, würde die Diskussion um einen Mietendeckel auf Bundesebene neu belebt. Auch das wäre fatal, jedenfalls wenn man unter Mietendeckel das versteht, was der Senat in seinem verfassungswidrigen MietenWoG umgesetzt hatte (dazu Häublein, ZMR 2021, 437). Statt plumper Klientelpolitik bedarf es langfristiger Konzepte, und zwar vor allem zum Wohle derjenigen, die darauf angewiesen sind, adäquaten Wohnraum zu mieten. •

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Prof. Dr. Martin Häublein lehrt an der Univ. Innsbruck, ist Of Counsel bei Müller Radack Schultz in Berlin und stellv. Präsident des eid – Evangelischer Immobilienverband Deutschland.