NJW-Editorial
Das neue Cannabisstrafrecht
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Mit dem Entfallen der Betäubungsmitteleigenschaft und den neuen Straftatbeständen des Cannabisgesetzes eröffnet sich ein zusätzliches Gebiet des Nebenstrafrechts. Bei den vorgenommenen Grenzziehungen und Schwellenwerten handelt es sich jedoch offensichtlich weniger um einen gesellschaftlich weitgehend konsentierten Kern in der Unterscheidung von Strafbarkeit und Straflosigkeit. PD Dr. Tobias Kulhanek meint in unserem Editorial: Der Auftakt des neuen CanG wird spannend und arbeitsam – für Polizei, Justiz, Anwaltschaft und Wissenschaft!

11. Apr 2024

Vielmehr erwecken diese den Anschein eines Kompromisses zwischen dem Verlangen nach weiter reichender Legalisierung und ebenso vehement vorgetragenen Forderungen nach einer Beibehaltung der Komplettstrafbarkeit abgesehen von reinem Konsum und bestimmten Ausnahmen im medizinischen Bereich. Semantisch ist daher auch interessant, ob eher von teilweiser Entkriminalisierung oder teilweiser Legalisierung gesprochen wird. In der Gesetzesanwendung macht das natürlich keinen Unterschied, lässt jedoch möglicherweise gewisse Rückschlüsse auf das individuelle rechtspolitische Verständnis und die Stoßrichtung der Gesetzesinterpretation zu.

Das Konsumcannabisgesetz geht in seinem § 2 I jedenfalls von einem umfassenden Verbot aus, von dem sodann in § 2 III iVm den weiteren Einzelregelungen Ausnahmen des präventiven Globalverbots exklusive Konsum enthalten sind. Ob der angesprochene Kompromiss rechtspolitisch gelungen ist, muss jeder für sich selbst beantworten – das ist Ausdruck unserer Demokratie. Rechtstechnisch wiederum gäbe es unzählige Einzelpunkte dieses kleinteiligen Gesetzes aufzuzählen, was hier aber nicht der richtige Ort ist. Lediglich zu der – bis zuletzt hochumstrittenen – Amnestierung sei gesagt, dass diese eher ungewöhnlich, nicht überzeugend begründet und angesichts der erheblichen Folgen auch unangemessen erscheint (zutr. Engel ZRP 2024, 50). Spannend wird außerdem die vom Gesetzgeber „aufgrund der geänderten Risikobewertung“ angeordnete Neubestimmung der nicht geringen Menge „im Lichte der legalisierten Mengen“ durch die Rechtsprechung (BT-Drs. 20/8704, 132).

Erwartbar scheint überdies eine deutlich unterschiedliche Herangehensweise der Strafverfolgungsbehörden. Während manche Bundesländer neben einem möglichst restriktiven Normverständnis zudem bereits strenge Kontrollbemühungen angekündigt haben, ist in anderen mit einer Ausweitung der „faktischen Entkriminalisierung“ noch über den Gesetzeswortlaut hinaus zu rechnen – natürlich nicht dem materiellen Recht nach, wohl aber vermittelt über die „prozessualen Entkriminalisierungsinstrumente“ der § 35a KCanG, § 26a MedCanG, § 31a BtMG, § 153 StPO. Das trägt weder zu einer Einheitlichkeit des Rechts sowie der mit ihm verbundenen Erwartungen bei, noch erscheint ein solches strukturelles Auseinanderfallen zwischen verschiedenen (General)Staatsanwaltschaftsbezirken dem Rechtsempfinden des Bürgers zuträglich. So oder so gilt: Der Auftakt des neuen CanG wird spannend und arbeitsam – für Polizei, Justiz, Anwaltschaft und Wissenschaft!

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PD Dr. Tobias Kulhanek ist Richter am LG Nürnberg-Fürth und Privatdozent an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.