Während das Gericht den 28. September 1951 als seine Geburtsstunde betrachtet (da wurde es vom damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer offiziell eröffnet), wurde die Gründung von vielen Medien vorverlegt. Nicht ohne Grund: Seine Arbeit nahm das BVerfG schon am 7. September 1951 auf. Zwei Tage später verkündete es bereits seine erste Entscheidung. Das Gericht war also schon damals seiner Zeit und der Politik voraus. Das hat sich seitdem vielfach wiederholt.
Wer in die Jahre kommt, gibt sich gerne jugendlich. Das BVerfG hat sich zum Geburtstag einen Account bei Instagram geschenkt. Das ist das soziale Netzwerk, auf dem sich Promis und Influencer in sogenannten Insta-Stories in Szene setzen. Karlsruhe hat bisher nur ein paar Bilder aus dem Gericht gepostet, da ist noch Luft nach oben. Das Feuilleton der FAZ meckerte jedenfalls schon, dass der Account „den Geruch der alten Bundesrepublik“ verströme.
Auch bei den Umgangsformen gibt man sich viel lockerer als früher. Manche Richterinnen und Richter duzen sich. Als vor einiger Zeit der Richter Herbert Landau verabschiedet wurde, hielt der damalige Präsident Andreas Voßkuhle eine nette Laudatio auf den „lieben Herbert“. Der bedankte sich bei dem „lieben Andreas“ für die warmen Worte. Die drei Bundesverfassungsrichter a. D. in der Reihe vor mir schauten etwas verdutzt ob des Duzens. Als kurze Zeit später für den in gleicher Veranstaltung verabschiedeten Richter Reinhard Gaier auf dessen Wunsch Liedgut der Band Metallica gespielt wurde, machte sich bei den distinguierten Herren eine gesteigerte Unruhe bemerkbar. Zu ihrer Zeit gab es ausschließlich klassische Musikeinlagen. Hardrock im Sitzungssaal war für sie ersichtlich ein sehr großer Kulturschock.
Ein paar Konventionen gibt es aber schon noch. Die Süddeutsche Zeitung berichtete kürzlich, dass der Richter Peter Huber mal im Hawaiihemd zur Urteilsberatung erschienen war. Das ging den Kolleginnen und Kollegen im Senat dann doch zu weit – Beratung sei schließlich Hochamt, zitierte die SZ.
Die Jugend hat auch in der Rechtsprechung des BVerfG einen neuen Stellenwert bekommen. In seinem fulminanten Klima-Beschluss hat der Erste Senat mit der Idee der intertemporalen Freiheitseinschränkung die Generationengerechtigkeit zu einem einklagbaren Ziel des Grundgesetzes gemacht. Die Entscheidung wurde daher auch als „Sieg für die Jugend“ oder „Signal für die junge Generation“ bezeichnet.
Ganz egal, wie man den Beschluss im Einzelnen bewertet – er ist mutig, weitsichtig, wirkungsvoll und maßstabbildend. Verfassungsrechtsprechung at its best, unabhängig davon, ob sie sich in Karlsruhe im 71. Lebensjahr duzen, wie sie sich kleiden und welche Musik sie bei ihren Zeremonien spielen.