Urteilsanalyse
Das Führen eines Teleskopschlagstocks ist grundsätzlich straflos
Urteilsanalyse
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Bei einem Teleskopschlagstock handelt es sich zwar um eine Waffe im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG i.V.m. Anlage 1 Unterabschnitt 2 Ziffer 1.1, er unterfällt nach Ansicht des BGH aber nicht der Strafnorm des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG. Die dort in Bezug genommene Nr. 1.3.2 der Anlage 2 Abschnitt 1 nennt lediglich Stahlruten, Totschläger und Schlagringe.

15. Jul 2022

Anmerkung von Rechtsanwalt David Püschel, Ignor & Partner GbR, Berlin

Aus beck-fachdienst Strafrecht 14/2022 vom 14.07.2022

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Sachverhalt

Nach den Feststellungen des LG fuhren die Angeklagten A und B in einem Pkw die Grenze von den Niederlanden nach Deutschland und führten dabei wissentlich knapp 1,5 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 17,4% THC mit sich, das unbekannte Hinterleute gewinnbringend verkaufen wollten. Beide trugen während der Fahrt in einer um die Brust gehängten Tasche einen Teleskopschlagstock bei sich. Das LG verurteilte A und B jeweils wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit einem „vorsätzlichen Verstoß gegen das Waffengesetz“ zu Freiheitsstrafen von drei Jahren.

Entscheidung

Auf die Revisionen von A und B wurde das Urteil des LG im Schuldspruch dahin geändert, dass sie jeweils der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind.

Die Verurteilung wegen eines tateinheitlich begangenen „Verstoßes gegen das Waffengesetz“ habe zu entfallen.

Hierzu habe der GBA in seiner Antragsschrift ausgeführt:

Gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG sei unter Strafe gestellt, wer entgegen § 2 Abs. 1 oder 3 WaffG einen Gegenstand führe, der in einer der in der Vorschrift genannten Nummern der Anlage 2 angeführt sei. Bei einem Teleskopschlagstock handele es sich zwar um eine Waffe im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2a WaffG i.V.m. Anlage 1 Unterabschnitt 2 Ziffer 1.1, er unterfalle aber nicht der Strafnorm des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG. Die dort in Bezug genommene Nr. 1.3.2 der Anlage 2 Abschnitt 1 nenne lediglich Stahlruten, Totschläger und Schlagringe. Bei Totschlägern handele es sich um biegsame Gegenstände, welche im Unterschied zu vielen Stahlruten nicht zusammengeschoben werden können und zudem einen oder mehrere Metallköpfe aufweisen. Dementsprechend würden Totschläger auch als flexibler Griff beschrieben, an dessen einem Ende sich eine Beschwerung (meist aus Metall) befindet. Die Biegsamkeit sei wesentliches Kriterium, da nur durch diese die beabsichtigte Verstärkung der Schlagwirkung gewährleistet werde. Bei einem Teleskopschlagstock handele es sich nicht um einen Totschläger i.S. der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG.

Da der Teleskopschlagstock nicht bei einer öffentlichen Veranstaltung geführt worden sei, komme auch die Strafvorschrift des § 52 Abs. 3 Nr. 9 i.V.m. § 42 Abs. 1 WaffG nicht in Betracht. Soweit es nach § 42a Abs. 1 Nr. 2 WaffG verboten sei, einen Teleskopschlagstock zu führen, stelle ein Zuwiderhandeln nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 53 Abs. 1 Nr. 21a WaffG dar. Da diese tateinheitlich zur Straftat des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verwirklicht worden sei, werde nur das Strafgesetz angewendet.

Den Ausführungen des GBA sei zuzustimmen.

Praxishinweis

Es ist nicht selten, dass Teleskopschlagstöcke oder vergleichbare Dinge vorschnell als Totschläger oder Stahlrute qualifiziert werden. Während bereits der Besitz eines Totschlägers oder einer Stahlrute strafbar ist, können Teleskopschlagstöcke straflos besessen und – öffentliche Veranstaltungen ausgenommen – sogar straflos geführt werden. Das Führen eines Teleskopschlagstocks außerhalb öffentlicher Veranstaltungen kann lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Wobei sogar eine Ordnungswidrigkeit ausgeschlossen ist, wenn eine Ausnahmen gemäß § 42a Abs. 2 WaffG, etwa ein berechtigtes Interesse zum Führen eines Teleskopschlagstocks, vorliegt. Die korrekte Einordnung dessen, was ein Totschläger oder eine Stahlrute ist, ist mithin von entscheidender Bedeutung.

Die Abgrenzungsmerkmale, die der Generalbundesanwalt dargelegt hat, sind, ohne dass diese im Beschluss genannt würde, der WaffVwV zu entnehmen. Dort heißt es im Abschnitt 2 unter Anlage 2 Abschnitt 1 Nummer 1.3.2: „Stahlruten sind biegsame Gegenstände aus Metall, die zusammengeschoben werden können und in der Regel mit einem Metallkopf versehen sind. Starre Teleskopschlagstöcke, unabhängig von der Länge im eingeschobenen Zustand, unterliegen nicht diesem Verbot. Totschläger sind biegsame Gegenstände wie Gummischläuche, Riemen und Stricke, bei denen zumindest ein Ende durch Metall bzw. durch gleich hartes Material beschwert ist. Die Biegsamkeit ist wie bei der Stahlrute wesentliches Kriterium, da nur dadurch die beabsichtigte Verstärkung der Schlagwirkung gewährleistet wird.“ Anknüpfend hieran bieten sich Beweisanträge betreffend die Biegsamkeit und die Härte des Endes an.


BGH, Beschluss vom 21.04.2022 - 3 StR 81/22 (LG Kleve), BeckRS 2022, 14775