Kolumne
Das bisschen Haushalt
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© NJW/Harald Schnauder

Nach der parlamentarischen Sommerpause hat der Bundestag mit den Beratungen des Haushalts für das Jahr 2023 begonnen. Im November soll er beschlossen werden. Das Bundesjustizministerium präsentiert sich dabei wieder als Lieblingskind der Finanzpolitiker: Es hat regelmäßig den geringsten Etat aller Ressorts und im Verhältnis dazu die höchsten Einnahmen. So wird es auch diesmal sein.

17. Okt 2022

Der Minister betonte das auch erfreut in seiner Bundestagrede: „Wir erledigen diese Aufgaben sehr kostengünstig“, rief er seinen Parlamentskollegen zu. „Wir geben weniger als eine Milliarde Euro aus, und wir erwirtschaften fast 70 Prozent davon durch eigene Einnahmen. Das ist ein Kosten-Nutzen-Verhältnis, das sich, glaube ich, sehen lassen kann“, so Buschmann. Recht hat er – wenn man einen rein wirtschaftlichen Maßstab anlegt. 

Man könnte aber auch zu dem Schluss kommen, dass der Rechtsstaat der Politik nicht viel wert ist, jedenfalls nicht in Geld. In den Ländern ist es nämlich ähnlich wie im Bund. Die Etats der Justizministerien sind auch dort klein, die Deckungsgrade hoch. Dass die Justiz chronisch unterfinanziert ist, liegt zuallererst am rigiden Sparkurs der Länder. Eigenes Geld will man auch weiterhin ungern in die Hand nehmen. Lieber fordert man Unterstützung vom Bund. Dessen Justizminister will jetzt immerhin einen Pakt für den digitalen Rechtsstaat auflegen und in den kommenden Jahren 200 Mio. Euro für Projekte zur Digitalisierung der Justizbehörden locker machen. Reicht nicht, sagen die Ressortchefs in den Ländern unter Hinweis auf ihren großen Finanzbedarf für die digitale Transformation und neues Personal.

Haushaltsdisziplin ist gut und schön, aber man muss schon auch an den richtigen Stellen sparen und da, wo erforderlich, investieren. Dass die Justiz das bitter nötig hätte, zeigt sich allerorten. Viele Gebäude – manche von ihnen noch großspurig als „Justizpalast“ bezeichnet – sind marode statt repräsentativ. Die technische Ausstattung entspricht dem Stand von vor ungefähr 15 Jahren. Die Personaldecke ist dünn, der juristische Nachwuchs angesichts der kargen Arbeitsumgebung und der bescheidenen Besoldung nur noch geringfügig interessiert an der einstmals so attraktiven Justizkarriere. Die Verfahren dauern ewig, viele Rechtsuchende erleben den Justizapparat mit seinen trägen Abläufen als nicht besonders bürgerfreundlich. Das frustriert nicht nur alle Beteiligten, sondern beeinträchtigt das Vertrauen in die Justiz. Und das schwächt den Rechtsstaat, schlimmer noch: die Demokratie.

Der Bundesjustizminister sollte sich deshalb nicht dafür rühmen, wie Marco Buschmann das in der oben erwähnten Bundestagsrede tat, dass gegen den Entwurf seines Einzelplans nicht mal der Bundesrechnungshof Beanstandungen hatte, sondern beim Bundesfinanzminister – ­enger Parteifreund hin oder her – mehr Geld für sein Ressort rausverhandeln. Gleiches gilt für seine Kolleginnen und Kollegen in den Ländern. Eine funktionsfähige Justiz ist rechtsstaatliche Daseinsvorsorge, eine systemrelevante Infrastruktur. Wenn man das zum Maßstab nimmt, macht das bisschen Haushalt gar nichts aus.

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Tobias Freudenberg ist Rechtsanwalt und Schriftleiter der NJW, Frankfurt a. M..