Interview
Chefsache LkSG
Interview
© BAFA

Anfang des Jahres ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft getreten. Es verpflichtet Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern, ab 1.1.​2024 mit mindestens 1.000 Mitarbeitern, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihrer Lieferkette einzuhalten. Darüber hinaus nimmt das Gesetz auch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in die Pflicht. Auf welche Weise, das wollten wir von Torsten Safarik wissen. Er ist seit 2019 Präsident des BAFA und hat das LkSG zur „Chefsache“ erklärt.

29. Jun 2023

NJW: Seit Beginn des Jahres gilt das LkSG in Deutschland für Unternehmen ab einer bestimmten Größe. Welche Rolle spielt Ihre Behörde hierbei?

Safarik: Das BAFA setzt das Lieferkettensorgfalts­pflichtengesetz (LkSG) um und kontrolliert, ob die betroffenen Unternehmen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten angemessen erfüllen. Seit dem letzten Jahr haben wir mit Hochdruck daran gearbeitet, die inhaltlichen und organisatorischen Voraussetzungen für die Umsetzung des Gesetzes zu schaffen. Dafür haben wir unter anderem wirksame, bürokratiearme und ressourcensparende Lösungen erarbeitet sowie mehrere Handreichungen veröffentlicht, die die Unternehmen bei der Umsetzung des Gesetzes unterstützen. Eigens für die Umsetzung LkSG hatten wir im letzten Jahr eine neue Außenstelle des BAFA in Borna bei Leipzig zunächst als Aufbaustab eröffnet. Inzwischen haben wir diesen Aufbaustab in eine Abteilung überführt mit über 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Bis zum Ende des Sommers wird der Standort auf 100 Personen anwachsen. Wir setzen bei der Umsetzung des LkSG und der Kontrolle der Sorgfaltspflichten auf ein interdisziplinäres Team unterschiedlicher Fakultäten und Berufserfahrungen.

NJW: Was sprach bzw. spricht für eine Umsetzung des Gesetzes und Kontrolle der Unternehmen durch das BAFA?

Safarik: Wir wissen, wie man politische Vorgaben in ­effiziente und rechtssichere Verfahren umsetzt. Hier können wir auf langjährige Erfahrungen zurückgreifen, insbesondere aus den Bereichen der Exportkontrolle und den zahlreichen Energie- und Wirtschaftsförderprogrammen. Dadurch sind wir mit den Herausforderungen und Möglichkeiten der Unternehmen vertraut und stehen auch in engem Austausch mit zahlreichen Verbänden. Das parlamentarische Verfahren zum LkSG haben wir genau beobachtet. Es hat sich schon früh abgezeichnet, dass unser Kompetenzprofil für diese Aufgabe geeignet ist.

NJW: Sie haben das LkSG zur Chefsache erklärt. Weshalb?

Safarik: Der Mensch ist das Wichtigste, was es gibt. Deshalb ist es mir wichtig, dass dieses Gesetz erfolgreich umgesetzt wird. Dabei gilt es von Anfang an mit Augenmaß vorzugehen. Wir müssen die Unternehmen fordern, dürfen sie aber nicht überfordern. Als das Gesetz vor rund zwei Jahren beschlossen wurde, waren sich viele Unternehmen zunächst unsicher, was auf sie zukommt. Daher haben wir beschlossen, für alle ­relevanten Stakeholder des LkSG ansprechbar zu sein. Allein seit Anfang 2023 haben wir über 50 Termine mit Unternehmen und Verbänden unterschiedlichster Branchen sowie mit Vertretern der Zivilgesellschaft wahrgenommen. An rund Zweidrittel der Termine war ich dabei. Dabei wollen wir lernen, was machbar ist. Gleichzeitig erfahren unsere Gesprächspartner, was wir von den Unternehmen erwarten.

NJW: Führen Sie bereits erste Kontrollen in Unternehmen durch? Wie werden die ablaufen? Müssen wir sie uns wie eine Art Betriebsprüfung vorstellen?

Safarik: Seit dem 1.1. ist das BAFA voll arbeitsfähig. Daher haben wir auch unsere risikobasierten Kontrollen aufgenommen. Die ersten Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen wurden von uns zum Umsetzungsstand des Beschwerdemechanismus und zur Zuständigkeit für das Risikomanagement befragt. Unsere Bilanz fällt weitestgehend positiv aus. Die Reaktionsgeschwindigkeit und die Rückfragen zeigen, dass sich der überwiegende Teil mit dem Gesetz intensiv auseinandersetzt. Im Jahr 2024 werden wir schwerpunktmäßig kontrollieren, ob und wie die Unternehmen die Risikoanalyse durchführen. Diese Analyse ist das Herzstück des LkSG, denn hierauf bauen insbesondere die Präventions- und Abhilfemaßnahmen auf.

NJW: Was passiert, wenn Sie Verstöße gegen die im LkSG normierten Pflichten feststellen?

Safarik: Das hängt von der konkreten Pflichtverletzung ab. Das Gesetz erlaubt, dass Unternehmen nachbessern, und das ist gut so. Unser Ziel ist es nicht, Bußgelder zu verhängen, sondern wir wollen den Unternehmen helfen, den Schutz der Menschenrechte zu verbessern. Das ist und sollte das gemeinsame Ziel sein. Das BAFA versteht sich bereits seit vielen Jahrzehnten als Partner der Unternehmen. Wenn ein Unternehmen Fehler bei der Umsetzung des Gesetzes macht, helfen wir ihm, diese zu beseitigen. Nur wer nicht willig ist, hat Strafen zu befürchten, die erheblich sein können.

NJW: Machen Sie die Namen von Unternehmen ­publik, die gegen das LkSG verstoßen?

Safakrik: Nein, wir stellen kein Unternehmen an den Pranger. Das BAFA wird zu etwaigen Maßnahmen gegenüber einzelnen Unternehmen keine Angaben machen. Dies würde wegen des zu erwartenden Imageschadens einer Sanktion gleichkommen, die das Gesetz nicht vorsieht.

NJW: Nicht nur Unternehmen, auch Verbraucher können sich an Sie wenden. Wie funktioniert das? Und ist das bereits geschehen?

Safarik: Seit dem 1.1.​2023 werden wir bei Beschwerden über unternehmerische Sorgfaltspflichtenverstöße tätig. Betroffene können diese über ein Online-Formular auf der BAFA-Webseite, per E-Mail oder postalisch einreichen. Bislang sind insgesamt zehn Beschwerden bzw. Hinweise eingegangen.

NJW: Wie geht es nach Eingang einer derartigen Beschwerde weiter?

Safarik: Jede Beschwerde wird durch uns gründlich und individuell geprüft. Entscheidend sind für uns die Fragen, ob ein Unternehmen, welches das Gesetz erfüllen muss, betroffen ist und ob die Beschwerde substantiiert ist. Aus der Beschwerde muss klar hervor­gehen, dass jemand in seinen eigenen Rechten verletzt wurde oder dass eine solche Verletzung unmittelbar bevorsteht. Die Verletzung muss nachvollziehbar und sollte möglichst umfassend geschildert werden. Das Unternehmen, das für die Verletzung verantwortlich sein soll, muss eindeutig benannt werden. Je nach Verlauf der Prüfung kontaktieren wir das Unternehmen und informieren die antragstellende Person über das Ergebnis. Das geht natürlich nur bei nicht anonym gestellten Beschwerden. Die eingereichten Beschwerden werden selbstverständlich vertraulich behandelt.

NJW: Haben Sie es auch mit querulatorischen oder missbräuchlichen Beschwerden zu tun?

Safarik: Leider ist das bereits vorgekommen. Es wurden offensichtlich nicht substantiierte Beschwerden bei uns eingereicht und über die Vorlage beim BAFA umfangreich in der Presse berichtet. Derartige Kam­pagnen verurteile ich scharf, da durch den versuchten Missbrauch des LkSG der Erfolg des Gesetzes behindert wird. Keinem Menschen in den globalen Liefer­ketten wird damit geholfen. Die Bearbeitung offensichtlich unsubstantiierter Beschwerden beenden wir mit einem kurzen Formschreiben an den Antragsteller.

NJW: Ist mit dem LkSG der Durchbruch im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte und Umweltbelange gelungen?

Safarik: Mit dem Gesetz wird erstmals in Deutschland die unternehmerische Verantwortung für die Menschenrechte in den globalen Lieferketten gesetzlich verankert. Das ist ein großer Erfolg. Jetzt gilt es, das Gesetz gut umzusetzen. Für uns heißt das: Effizient, bürokratiearm und gesetzeskonform in der Umsetzung, aber vor allem wirksam im Schutz der Menschenrechte weltweit.

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Interview: Dr. Monika Spiekermann.