Bundeswehr.Beschaffung.Babylon.
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Angesichts von Krieg und Krisen stellt der Deutsche Bundestag mit dem Gesetz zur ­Finanzierung der Bundeswehr und zur Errichtung eines „Sondervermögens Bundeswehr“ vom 1.7.​2022 weit über 100 Mrd. Euro für Investitionen in Personal und ­Material der Streitkräfte bereit. Die jahrelange finanzielle Unterdeckung der Verteidigungs­aufgabe soll ein Ende haben. Erleichtert wird das mit dem befristeten Gesetz zur Beschleunigung von Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr vom 11.7.​2022 sowie der Renaissance von Art. 346 AEUV. Bedarfsträger (Art. 87a GG) und Bedarfsdecker (Art. 87b GG) sprengen so die Fesseln des Einkaufsregimes.

17. Aug 2023

Das federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) plant nun bereits in die Zukunft und möchte die Beschaffung der Streitkräfte noch weiter ­deregulieren. Der Forderungskatalog beinhaltet etwa die Abschaffung der Parlamentsbeteiligung (sog. 25 Mio. Euro-Vorlagen), industriepolitische Markteingriffe, eine drastische Beschneidung des Bieterrechtsschutzes, Experimentierklauseln zugunsten des Beschaffungsamts und die intensivere Nutzung von prozeduralen Freiräumen. Dies trägt die Handschrift des Verteidigungsressorts.

Maßnahmen und Pläne der Bundesregierung zur vergaberechtlichen Enthemmung im Verteidigungssektor entspringen der Sündenbocktheorie. Der jammervolle Ausrüstungszustand der Truppe wird auf rechtliche Hemmnisse geschoben. Das lenkt von der defizitären Verwaltungs- und Anwendungspraxis und dem alles überragenden organisa­torischen und institutionellen Reformbedarf ab.

Der Schlachtplan der Bundesregierung zur Einrichtung einer regulatorischen Sonderkomfortzone für Budgetmittel in Rekordhöhe führt in einen babylonischen Wirrwarr. Vor allem die Kardinalpflichten des öffentlichen Einkaufs wie Wettbewerb, ­Transparenz und Wirtschaftlichkeit kommen so unter die Räder. Es kann keine gute Idee sein, die staatspraktisch eingeschliffene und zuletzt kodifizierte Parlamentsbeteiligung abzuschaffen, wenn die Verwaltung bei der Geldausgabe immer häufiger das Wettbewerbsprinzip kaltschnäuzig ausschaltet. Die brandaktuellen Feststellungen des Bundesrechnungshofs dazu in der Causa Tankschiffe sprechen für sich. Bürger, Parlament und ­Industrie haben ein Interesse an dem verantwortlichen und sparsamen Umgang mit Steuermitteln – Sicherheitskrisen hin oder her. Ansonsten droht Akzeptanzverlust des edlen Ziels. Auch der Weg in eine buy-national-Politik zwecks Züchtung nationaler Champions schleicht sich heimlich an den anerkannten internationalen Zielen für die Marktöffnung im Verteidigungssektor vorbei. Ausländische Partner werden zur Wie­derherstellung einer gut ausgerüsteten und kampfkräftigen Bundeswehr dringend gebraucht. Ihr Know-how ist häufig überlegen. Ergebnis: Aufwind für die Bundeswehr: ja! Babylonische Regelverirrung: nein!

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Dr. Jan Byok, LL.M., ist Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Vergaberecht und für Informations­technologierecht in Düsseldorf.