Kolumne

Bußzwecke nach der DS-GVO

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hat der Vodafone GmbH zwei Geldbußen von insgesamt 45 Mio. EUR auferlegt. Ein Rekord – mehr gab es in Deutschland bislang nicht.

1. Jul 2025

Durch böswillig handelnde Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Partneragenturen, die Verträge an Kunden vermitteln, war es unter anderem zu Betrugsfällen durch fingierte Verträge gekommen. Zusätzlich wurden noch einige Millionen EUR an gemeinnützige Zwecke gespendet. Die Höhe der Sanktionen verwundert nicht, beträgt doch der Bußgeldrahmen bis zu zehn Mio. EUR oder 2 % des weltweiten Konzernumsatzes, bei besonders schwerwiegenden Verstößen sogar das Doppelte (Art. 83 IV DS-GVO). Europa verpflichtet zu Geldbußen, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind. Weitaus Schlimmeres wäre also denkbar. Die dennoch hohen Summen sind vor allem dadurch bedingt, dass die Leitlinien 4/2022 des Europäischen Datenschutzausschusses für die Berechnung von Geldbußen maßgeblich auf den Jahresumsatz eines Unternehmens abstellen. Trotz des Charmes mathematischer Genauigkeit ist es verfehlt, diesen als maßgebliche Ausgangsgröße zur Bemessung der Wirtschaftskraft zu nutzen. Denn mit den Zielen eines Bußgelds hat dies letztlich wenig zu tun: Das Gewinn- und Schadenspotenzial ist im Ordnungswidrigkeitenrecht die eigent­liche Kerngröße, von der ausgehend die Buße gebildet wird.

Das ist auch richtig. Denn ob eine Sanktion abschreckt, richtet sich danach, wie viel Gewinnmarge sie frisst; wird sie aber zu hoch, läuft sie Gefahr, nicht mehr verhältnismäßig zu sein. Die DS-GVO zieht den Umsatz nur zur Bestimmung der Höchstbuße heran – und hat das auch schlicht aus dem Kartellrecht übernommen, wo diese Kenngröße sehr viel mehr Sinn ergibt. Soll die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein, muss der Gewinn des Unternehmens oder das Schadenspotenzial des Datenschutzverstoßes der zentrale Parameter zur Bestimmung des wirtschaftlichen Werts sein. Ob ein Unternehmen einen Verstoß bewusst billigt oder auch nur fahrlässig toleriert, hängt in erster Linie davon ab, welcher Profit oder welche Ersparnis damit verbunden ist. Das hat mit dem Umsatz zunächst wenig zu tun: Ist dieser gering, der Gewinn jedoch groß, ist man nicht weniger zahlungskräftig als bei hohem Umsatz und niedrigem Gewinn. Das rechtfertigt keine unterschiedlichen Strafmaßnahmen. Große Anwaltskanzleien streben zuweilen eine Marge von 50 % an, der Einzelhandel kalkuliert mit weniger als 5 %. Beide gleich zu behandeln, nur weil sie den gleichen Umsatz erwirtschaften, kann nicht richtig sein.

Bußgelder leben wie alles Recht letztlich von gesellschaftlicher Akzeptanz – und für den Datenschutz gilt dies vielleicht umso mehr. Die aber ist nur bei einem stimmigen Sanktionensystem gesichert. Es ist daher aller Mühe wert, an das vorliegende Konzept noch einmal Hand anzulegen, um die europarechtlichen Spielräume neu auszuloten. Das Ziel ist klar, und jeder Schritt auf dem Weg dorthin ist verdienstvoll.

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Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M., ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.