Urteilsanalyse
BGH zu den Informationspflichten bei der Neubestellung eines Verwalters
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Bei der Neubestellung eines Verwalters ist es nach einem Urteil des BGH vom 24.01.2020 regelmäßig geboten, den Wohnungseigentümern die Angebote der Bewerber oder jedenfalls deren Namen und die Eckdaten ihrer Angebote grundsätzlich innerhalb der Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG zukommen zu lassen.

8. Jun 2020

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 11/2020 vom 04.06.2020

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Sachverhalt

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 14.11.2017 beschlossen die Wohnungseigentümer, die Firma T zur Verwalterin zu bestellen. Gegen den Beschluss richtet sich eine vor dem Amtsgericht erhobene Anfechtungsklage. Mit Schreiben vom 04.02.2018 berief die Firma T unter Hinweis auf eine Beauftragung durch den Verwaltungsbeirat eine außerordentliche Eigentümerversammlung für den 20.02.2018 mit folgender Tagesordnung ein:

„Bestellung der T. GmbH zur Verwalterin der Wohnanlage für den Zeitraum 01.01.2018 bis einschließlich 31.12.2021.

Bevollmächtigung des Verwaltungsbeirats zum Vertragsabschluss mit der T. GmbH nach Vorgabe des bisherigen Verwaltervertrags mit der E. Hausverwaltung."

Vergleichsangebote anderer Interessenten für das Verwalteramt waren dem Einladungsschreiben nicht beigefügt.

Nach dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 20.02.2018 berichtete der Verwaltungsbeirat vor der Beschlussfassung, dass neben dem Angebot der Firma T zwei weitere Angebote eingeholt worden seien, die zur Einsichtnahme zur Verfügung stünden. Es handele sich hierbei um die Firmen L und K, die zu Konditionen in Höhe von 23,20 € und 25,00 € je Wohnung/Monat angeboten hätten. Das Angebot der Firma T sei identisch mit dem der bisherigen Verwalterin Firma E mit 19,64 € pro Wohnung/Monat. Auf dieser Grundlage spreche sich der Verwaltungsbeirat zu Gunsten der Firma T aus.

Sodann beschlossen die Wohnungseigentümer erneut, die Firma T zur neuen Verwalterin zu bestellen und bevollmächtigten den Verwaltungsbeirat zu einem Vertragsschluss nach Vorgabe des bisherigen mit der Firma E geschlossenen Verwaltervertrags.

Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage der Kläger hat das Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht hat ihre Berufung zurückgewiesen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts entsprechen die Beschlüsse der Wohnungseigentümer über die Bestellung der Firma T zur Verwalterin und die Bevollmächtigung des Verwaltungsbeirats zum Abschluss eines Verwaltervertrages ordnungsmäßiger Verwaltung. Dem Erfordernis, vor der Neubestellung eines Verwalters Alternativangebote anderer Interessenten einzuholen, sei entsprochen worden. Dass diese Angebote den Wohnungseigentümern nicht schon vor der Eigentümerversammlung übersandt worden seien, schade nicht. Es genüge, wenn in der Eigentümerversammlung vor der Beschlussfassung die Eckdaten der Alternativangebote bekannt gegeben und die Angebote zur Einsichtnahme bereitgehalten würden. Dies sei hier geschehen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, wollen die Kläger weiterhin erreichen, dass die Beschlüsse über die Wahl der Verwalterin und die Bevollmächtigung des Verwaltungsbeirats zum Abschluss eines Verwaltervertrages für ungültig erklärt werden.

Entscheidung

Die Revision hat Erfolg. Der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Verwalterbestellung entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

Unzutreffend sei die Auffassung des Berufungsgerichts, für die ordnungsgemäße Wahl eines neuen Verwalters genüge es, dass die Angebote der Bewerber um das Verwalteramt erst in der Eigentümerversammlung vor der Beschlussfassung in ihren Eckpunkten bekannt gegeben und zur Einsichtnahme bereitgehalten werden. Bei der Neubestellung eines Verwalters sei es regelmäßig geboten, den Wohnungseigentümern die Angebote der Bewerber oder jedenfalls deren Namen und die Eckdaten ihrer Angebote grundsätzlich innerhalb der Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG zukommen zu lassen.

Eine ordnungsgemäße Beschlussfassung könne es - unabhängig von der ausreichenden Bezeichnung des Gegenstands der Beschlussfassung (§ 23 Abs. 2 WEG) - im Einzelfall erfordern, den Wohnungseigentümern schon in der Einladung zur Eigentümerversammlung Informationen zur Verfügung zu stellen, um ihnen eine inhaltliche Befassung mit dem Beschlussgegenstand und eine ausreichende Vorbereitung auf die Eigentümerversammlung zu ermöglichen. Das könne etwa bei der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung und den Wirtschaftsplan oder über eine namhafte Sonderumlage für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen der Fall sein. Wann es erforderlich sei, den Wohnungseigentümern bereits vor der Eigentümerversammlung Unterlagen oder bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen, hänge von dem Beschlussgegenstand und den auszuwertenden Unterlagen bzw. Informationen ab.

Um den Wohnungseigentümern bei der Neubestellung eines Verwalters, der für sie wichtige und weitreichende Funktionen wahrnehme und regelmäßig für mehrere Jahre bestellt werde, eine Wahl auf einer fundierten Tatsachengrundlage zu ermöglichen, sei es nicht nur erforderlich, Alternativangebote einzuholen. Vielmehr müssen diese den Wohnungseigentümern auch bekannt gemacht werden, damit sie Erkundigungen über die Bewerber - etwa über das Internet - einziehen und sich ein Bild darüber verschaffen können, ob der jeweilige Bewerber fachlich geeignet ist, die Wohnungseigentümergemeinschaft zu verwalten.

Für eine hinreichende Befassungsmöglichkeit mit den Bewerbern und deren Angeboten reiche es regelmäßig nicht aus, den Wohnungseigentümern die Namen der zur Wahl stehenden Bewerber und deren Angebote oder die Eckdaten der Angebote erstmals in der Eigentümerversammlung vor der Verwalterwahl bekannt zu geben. Eine Bekanntgabe der Namen der Interessenten für das Verwalteramt erst in der Eigentümerversammlung mache es den Wohnungseigentümern unmöglich, über diese vorab Erkundigungen einzuziehen. Auch ein Angebotsvergleich sei erschwert. Die Vergütung in den verschiedenen Angeboten lasse sich nicht immer direkt vergleichen, da zwischen Verträgen mit einer Pauschalvergütung und Verträgen zu unterscheiden sei, in denen die Vergütung des Verwalters in Preisbestandteile oder Teilentgelte aufgeteilt ist, und ein Angebotsvergleich daher nur unter Auseinandersetzung mit den jeweiligen Vergütungsgestaltungen und dem Leistungsumfang der Angebote möglich sei. In der Eigentümerversammlung stehe regelmäßig nicht genügend Zeit zur Verfügung, um sich sachgerecht mit den jeweiligen Angeboten zu befassen.

Daher sei es bei einer Neuwahl des Verwalters regelmäßig erforderlich, die Angebote der Interessenten den Wohnungseigentümern schon vor der Eigentümerversammlung, in der über die Bewerber abgestimmt werden soll, innerhalb der Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG vorzulegen. Dies könne durch Zusendung der Angebote selbst erfolgen. Es reiche aber auch aus, wenn den Wohnungseigentümern die Namen der Bewerber sowie die Eckpunkte ihrer Angebote mitgeteilt werden. Werden die Wohnungseigentümer nicht durch Übersendung der Angebote, sondern durch Bekanntgabe der Eckpunkte der Angebote informiert, sei den Wohnungseigentümern, die dies wünschen, eine Kenntnisnahme der vollständigen Angebote zu ermöglichen.

Praxishinweis

Dem Urteil ist zuzustimmen.

Die Frage, wann es erforderlich ist, den Wohnungseigentümern bereits vor der Eigentümerversammlung bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere dem Beschlussgegenstand und den auszuwertenden Informationen (Vandenhouten in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Auflage 2020, § 23 WEG Rn. 73). Je bedeutender die zu treffende Entscheidung für die Wohnungseigentümer ist, desto umfangreicher und frühzeitiger müssen sie informiert werden; daher ist der vom BGH vorliegend zur Entscheidung über die Bestellung eines neuen Verwalters gezogene Vergleich zu umfangreichen – nicht nur unerheblicher (Emmerich in Bärmann/Pick, 20. Auflage 2020, § 23 WEG Rn. 122) Sanierungen (BGH, Urteil vom 13.01.2012 - V ZR 129/11, NJW-RR 2012, 343 Rn. 12) richtig.

Auch überzeugt das Argument, dass sich die Wohnungseigentümer im Vorfeld nicht nur über die konkreten Angebote informieren können müssen, sondern darüber hinaus auch über die fachliche Eignung der Kandidaten (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2012 - V ZR 190/11, NJW 2012, 3175 Rn. 12). Denn nicht immer ist das günstigste Angebot auch das Beste. Dies wäre ihnen innerhalb der kurzen Zeit in der Eigentümerversammlung nicht möglich; auch könnten sie hierbei leicht beeinflusst werden (Briesemeister IMR 2013, 341).

Zu den mitzuteilenden Eckpunkten der Leistungsangebote gehören die vorgesehene Laufzeit des Vertrages und die Vergütung (BGH, Urteil vom 27.02.2015 - V ZR 114/14, NJW 2015, 1378 Rn. 9), wobei darzustellen ist, ob eine Pauschalvergütung oder eine Vergütung mit mehreren Vergütungsbestandteilen angeboten wird.

Zur Frage der Dauer der Prüfungsfrist von Unterlagen, die Grundlage von Beschlussfassungen werden, s. LG Frankfurt a. M., Urteil vom 05.03.2020 - 2-13 S 65/19, BeckRS 2020, 5983; besprochen in FD-MietR 2020, 429091.

BGH, Urteil vom 24.01.2020 - V ZR 110/19, BeckRS 2020, 8761