Urteilsanalyse
BGH: Unzulässiger Insolvenzantrag um Abweisung mangels Masse zu erreichen
Urteilsanalyse
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Ein Eröffnungsantrag, der unabhängig von den Vermögensverhältnissen des Schuldners und etwa bestehender Ansprüche gegen Gesellschafter, Geschäftsführer und Anfechtungsgegner ausschließlich auf eine Abweisung des Antrags mangels einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse gerichtet ist, ist nach einem Beschluss des BGH vom 07.05.2020 wegen Fehlens des Restschutzinteresses unzulässig.

8. Jul 2020

Anmerkung von

Rechtsanwalt Stefano Buck, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 13/2020 vom 03.07.2020

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Sachverhalt

Die Antragstellerin ist eine am 5.6.2015 gegründete GmbH. Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter war H. Durch Gesellschafterbeschluss vom 19.9.2017 wurde N. zum Geschäftsführer bestellt. Dieser ist mehrfach im Schuldnerverzeichnis des für ihn zuständigen Vollstreckungsgerichts eingetragen. Geschäftsunterlagen wurden ihm nach einer mit seinem Namen versehenen eidesstattlichen Versicherung nicht übergeben. Am 1.10.2017 wurde das von der Antragstellerin betriebene Gewerbe abgemeldet. Mit Vertrag vom 5.10.2017 wurden die Geschäftsanteile an die in Großbritannien gegründete I. Ltd. veräußert. Director dieser Gesellschaft ist Z., der in der Kanzlei der vorinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin als Kanzleimanager und Insolvenzsachbearbeiter fungiert. Nach Angaben des zuerst bestellten Geschäftsführers der Antragstellerin, H., bei seiner Anhörung vor dem Insolvenzgericht wurden die Geschäftsunterlagen vernichtet.

Unter dem 5.2.2018 beantragte N. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin. Der von ihm unterzeichneten Vermögensauskunft zufolge verfügt die Antragstellerin nicht über Grundvermögen. Sonstige Vermögenswerte seien ihm, N., nicht bekannt.

Das Insolvenzgericht hat den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben, ebenso die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

Entscheidung: Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Fehlens eines rechtlich geschützten Interesses ist unzulässig

Der BGH führte aus, dass der Eröffnungsantrag eines Schuldners ernsthaft auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gerichtet sein müsse. Er dürfe nicht sachfremden Zwecken dienen (BGHZ 153, 205). Maßstab seien die in § 1 InsO genannten Verfahrensziele.

Das Rechtsschutzinteresse für einen Eröffnungsantrag fehle folglich etwa dann, wenn der Antragsteller nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anstrebe, sondern sich nur der Wirkungen des Eröffnungsverfahrens in rechtlich zu missbilligender Weise bedienen wolle (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 113). Gleiches gelte für einen Eröffnungsantrag, der unabhängig von den Vermögensverhältnissen des Schuldners und etwa bestehender Ansprüche gegen Gesellschafter, Geschäftsführer und Anfechtungsgegner ausschließlich auf eine Abweisung des Antrags mangels einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse (§ 26 InsO) gerichtet sei. Ein grob obstruktives Verhalten des Schuldners könne darauf schließen lassen, dass dieser eine gesetzesmäßige Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht ernsthaft anstrebe. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn der Schuldner seine Vermögenslosigkeit nur vortäusche oder seine Vermögensverhältnisse vorsätzlich so verschleiere, dass eine sinnvolle Sachaufklärung und damit ein ordnungsgemäßes Verfahren nicht möglich sei (MünchKomm-InsO/Vuia, 4. Aufl., § 13 Rn. 89). Das Verfahrensziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger (§ 1 S. 1 InsO) könne in einem solchen Fall von vornherein nicht erreicht werden.

Nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Beschwerdegerichts (§ 577 II 4, § 559 ZPO) sei der Eröffnungsantrag der Antragstellerin nicht auf die Eröffnung und eine den Vorschriften des Insolvenz- und des Gesellschaftsrechts entsprechende Abwicklung eines Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gerichtet. Der Antrag sei vielmehr Teil einer „Firmenbestattung", mit welcher die Verwertung des auch aus Ansprüchen gegen Geschäftsführer und Gesellschafter bestehenden Gesellschaftsvermögens zugunsten der Gläubiger und die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung verhindert habe werden sollen.

Praxishinweis „Firmenbestattung"

Als „Firmenbestattung" wird ein Vorgang bezeichnet, bei dem sich die Verantwortlichen dazu entschließen, eine Gesellschaft verdeckt zu liquidieren, um ein Insolvenzverfahren zu vermeiden oder solange wie möglich hinauszuzögern. Regelmäßig werden dazu planmäßig die Vermögensgegenstände der Gesellschaft soweit wie möglich an nahe stehende Personen, Nachfolgeunternehmen oder mit den Verantwortlichen verbundene Dritte übertragen, Forderungen der Gläubiger hingegen nicht mehr erfüllt (vgl. BGHZ 217, 300 zu den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 826 BGB). Äußere Anzeichen hierfür sind der Austausch der Geschäftsführer, die Veräußerung aller Geschäftsanteile, der Verlust der Geschäftsunterlagen und schließlich der Insolvenzantrag, der keinerlei verwertbare Vermögensgegenstände mehr ausweist (vgl. Schmittmann, NZI 2007, 356). Ob eine manipulative Firmenbestattung anzunehmen ist, hat in erster Linie der Tatrichter zu beurteilen (BGH, BeckRS 2008, 22671). Hierauf wies der BGH nochmals ausdrücklich hin.

BGH, Beschluss vom 07.05.2020 - IX ZB 84/19 (LG Fulda), BeckRS 2020, 10846