Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München
Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 17/2020 vom 27.08.2020
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BGB §§ 249, 823 I, 840 I
Sachverhalt
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, den sie zur Durchführung eines «Tankwartchecks» am 06.02.2017 an einer Tankstelle abgab. Der Mitarbeiter der Tankstelle führte den Check durch, schraubte aber den Deckel des Kühlwasserausgleichsbehälters nicht wieder auf. Die Folge davon war, dass Kühlwasser austrat, der Motor überhitzte und bei einer Fahrt am 11.02.2017 ein Schaden am Zylinderkopf eintrat. Der Tankstelleninhaber meldete das seiner Betriebshaftpflichtversicherung.
Der Pkw wurde zwecks Prüfung und Beseitigung des Motorschadens zu einer Werkstatt geschleppt. Die Haftpflichtversicherung der Tankstelle beauftragte einen bei ihr angestellten Kraftfahrzeugsachverständigen sich um die Reparatur zu kümmern. Der Werkunternehmer vereinbarte dabei mit dem beklagten Sachverständigen zunächst, dass der Zylinderkopf entfernt werden solle, um das Ausmaß des Schadens festzustellen. Dabei stellte der Beklagte fest, dass neben den Arbeiten am Zylinderkopf auch der Zahnriemen zu wechseln sei. Während der Begutachtung wies der Werkunternehmer den Beklagten darauf hin, dass nicht nur der Zahnriemen gewechselt werden müsse. Zu einer ordnungsgemäßen Reparatur gehöre, dass auch die Zusatzriemen, die die Nebenaggregate antreiben, ausgewechselt werden.
Der angestellte Kraftfahrzeugsachverständige erklärte für den Betriebshaftpflichtversicherer, dass dies unnötig sei. So würden lediglich die Kosten in die Höhe getrieben. Nunmehr vollendete der Werkunternehmer, wider besseren Wissens, die Reparatur und übergab das Fahrzeug der Eigentümerin. Bei einer Fahrt schon am 06.03.2017 entstand an dem Fahrzeug nunmehr wirtschaftlicher Totalschaden. Der Schaden beruhte darauf, dass zwar Zylinderkopf und Zahnriemen, nicht jedoch die Zusatzantriebsriemen ausgetauscht worden waren. Außergerichtlich erfolgte keine Regulierung.
Das Amtsgericht hatte der Klage auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands sowie des Nutzungsausfalls stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hatte das Landgericht nach zwischenzeitlicher Erfüllung der Klageforderung durch den Werkunternehmer mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt sei. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verlangt der Beklagte sein ursprüngliches Ziel der Klageabweisung weiter.
Rechtliche Wertung
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Klägerin habe einen Anspruch gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB, so die BGH-Richter. Durch sein Handeln habe der Beklagte gegenüber dem Werkunternehmer erklärt, die Zusatzantriebsriemen zu ersetzen sei überflüssig. Dieses Unterbleiben der Maßnahme führte zum Totalverlust des Fahrzeugs. Die Rechtsgutverletzung sei dem Beklagten auch zuzurechnen. Durch das Dazwischentreten des Werkunternehmens sei die Kausalkette nicht unterbrochen worden.
Die Haftung des Beklagten ergebe sich nicht bereits aus den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, weil der Beklagte nicht als freier Sachverständiger tätig geworden sei, sondern als Angestellter der Versicherung. Dieses Anstellungsverhältnis sei nicht geeignet, eine Schutzwirkung zu entfalten. Frei von Rechtsfehlern habe das Berufungsgericht aber den direkten Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten bejaht.
Die Eigentumsverletzung sei auch widerrechtlich erfolgt. Die Rechtspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin habe sich nicht bereits daraus ergeben, dass die Versicherung für die versicherte Tankstelle die Wiederherstellung des Pkw nach dem ersten Schaden übernommen habe. Denn nach den Feststellungen des Tatsachengerichts habe die Klägerin selbst den Werkvertrag mit dem Werkunternehmer geschlossen. Die haftungsbegründende Rechtspflicht des Beklagten ergebe sich nach den konkreten Umständen des Streitfalles aber daraus, dass er sich als Kfz-Sachverständiger bei Inanspruchnahme der entsprechenden Sachkunde und zugleich als Vertreter der für den Ausgleich letztlich verantwortlichen Versicherung ohne Rücksprache mit der Klägerin in die von dieser beauftragte Wiederherstellung der Reparatur eingemischt habe. Er habe maßgeblichen Einfluss auf die der Klägerin gegenüber zu erbringenden Leistungen genommen. Er habe also in dieser Weise auf den Umfang der zu erbringenden Reparaturleistung eingewirkt.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist für die Praxis wesentlich. Sehr häufig verwenden Schadenersatzpflichtige Hilfspersonen. Dass diese sich nicht allzu sehr in die Wiederherstellung eines einmal entstandenen Schadens einmischen, wird die hier vorliegende Entscheidung des BGH wohl bewirken.
BGH, Urteil vom 07.07.2020 - VI ZR 308/19 (LG Düsseldorf), BeckRS 2020, 19141